Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Die beobachtende Vernunft. 
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die äußere Erscheinung des Individuums, der ihm angeborene und 
durch eigene Thätigkeit angebildete und gestaltete Leib. 
Man könnte versucht sein, als das Aeußere, welches der Ausdruck 
des Innern sein soll, ein Organ des Leibes gelten zu lassen, wie 
den sprechenden Mund, die arbeitende Hand, aber die Werke der 
Sprache und Arbeit offenbaren das Innere der Individualität theils 
zu viel, theils zu wenig: zu viel, da sie das Innere in seiner freien, 
selbstbewußten Thätigkeit zur Darstellung bringen, zu wenig, da die 
Werke der Sprache und Arbeit in die Außenwelt fallen und dieser 
angehören. Diese Wirkungsweisen sind nichts Aeußeres, sondern 
Aeußerungen; die Beziehung aber, um die es der beobachtenden 
Dernunst zu thun ist, besteht zwischen dem individuellen Charakter auf 
der einen und seinem leiblichen Dasein auf der anderen Seite. 
Diese Beziehung ist nicht in den Wegen der Astrologie und Chiro 
mantie zu suchen. Denn in der Astrologie besteht die Beziehung 
zwischen dieser Constellation der Gestirne und den Lebensschicksalen 
dieses Individuums, also (nicht zwischen Innerem und Aeußerem, 
sondern) zwischen Aeußerem und Aeußerem, freilich darf man nicht 
an die goethesche Astrologie, den „Dämon" nach dem orphischen Worte 
denken: „Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen, die Sonne 
stand zum Gruße der Planeten" u. s. f. Am ehesten würde sich die 
Hand, dieses Organ der Organe, dazu eignen, als der Ausdruck der 
inneren Charaktereigenthümlichkeit des Individuums zu gelten. „Sie 
ist", sagt Hegel schön und treffend, „der beseelte Werkmeister seines 
Glücks; man kann von ihr sagen, sie ist das, was der Mensch thut, 
denn an ihr als dem thätigen Organe seines Sichselbstvollbringens ist 
er als Beseelender gegenwärtig, und indem er ursprünglich sein eigenes 
Schicksal ist, wird sie also dies Ansich ausdrücken." 1 Da in diesen 
Organen, wie Mund und Hand, das Thun, also das Innere als solches 
gegenwärtig ist, so sind Klang und Umfang der Stimme die indivi 
duelle Bestimmtheit der Sprache, die einfachen Züge der Hand und 
die Handschrift weniger als Aeußeres, denn als Aeußerlichkeit und 
Aeußerungsweisen zu betrachten, welche in dem Verkehr zwischen dem 
Individuum und der Außenwelt gleichsam die Mitte bilden? 
' Ebendas. S. 228. - - Ebendas. S. 229 flgd. Um der stilistischen Eigen 
thümlichkeit willen lasse ich Hegel reden: „Wenn nümlich die Organe überhaupt 
darum nicht als Ausdrücke des Innern genommen werden zu können sich zeigten, 
weil in ihnen das Thun als Thun gegenwärtig, das Thun als That aber nur 
Aeußeres ist" u. s. f. Der Satz ist lateinisch gedacht.
	        
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