Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Die beobachtende Vernunft. 
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Vertheilung hatte Kielmeyer das Entwicklungsgesetz der Organisation, 
„den Plan der Natur", wie er es nannte, gegründet. Er war der 
Lehrer Cuvier's. Auf diese Rede Kielmeyers hatte sich Schelling be 
zogen, als er in seinem „Ersten Entwurf des Systems der Natur 
philosophie" die dynamische Stufenfolge der organischen Natur con- 
struirte." 1 
Kielmeyer hatte das Grundgesetz der organischen Welt durch die 
Größenverhältnisse der Sensibilität und Irritabilität, der Sensibilität 
und Reproduction, das directe der beiden ersten, das indirecte der 
beiden anderen bestimmen wollen. Hegel nannte weder Schelling noch 
Kielmeyer, aber man sieht deutlich, daß er die Theorie des letzteren 
vor Augen hat und verwirft; er findet es „ein leeres Spiel des Ee- 
setzgebens", wenn man im Sinne der beobachtenden Vernunft Gesetze 
des organischen Lebens suchen und feststellen wolle, noch dazu durch 
quantitative Verhältnisse der organischen Kräfte, was ein ungereimter, 
im Grunde nichtssagender Versuch sei. An dem Organischen sei die 
Vorstellung des Gesetzes im Sinne der beobachtenden Vernunft ver 
loren.^ Das System der organischen Kräfte verhalte sich zu dem 
System der Organe (die Sensibilität zum Nervensystem u. s. f.s, wie 
das Innere zum Aeußern, wie der flüssige, unaufhörliche Lebensproceß 
zu der äußern festen Gestalt, daher weder die wechselseitigen Be 
ziehungen der organischen Kräfte noch deren Beziehungen zu den 
äußeren Organen sich in die Form der Gesetze bringen lasse, wie die 
beobachtende Vernunft solche verlangt und sucht? 
Es giebt keine der Beobachtung einleuchtende Geschichte des or 
ganischen Lebens, wie es eine Geschichte des Bewußtseins giebt, in 
welcher die beobachtende Vernunft selbst eine bestimmte Stufe ein 
nimmt, eine Reihe niederer Stufen hinter sich, eine Reihe höherer vor 
sich hat; dieses System der Gestaltungen des Bewußtseins bildet die 
Mitte zwischen dem allgemeinen Geist und seiner Einzelnheit oder dem 
sinnlichen Bewußtsein, aber zwischen dem allgemeinen Leben und dem 
lebendigen Einzelwesen giebt es keine allmählich fortschreitende Vermitt 
lung. Gegeben ist der Beobachtung die unsägliche Fülle des Einzel 
lebens. „Indem also in seiner Wirklichkeit die Allgemeinheit des 
* Vgl. dieses Werk. Bd. VI. Buch II. Abschn. II. Cap. X. S. 842-347, 
Cap. XX. S. 410-444. - - Phänomenologie-Werke. II. S. 192-202, S. 199 flgd., 
S. 202. - - Ebendas. S. 196-201.
	        
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