Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

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Das Selbstbewußtsein. 
- Ebendas. S. 154. 
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, 
Die eine will sich von der andern trennen; 
Die eine hält, in derber Liebeslust, 
Sich an die Welt, mit klammernden Organen; 
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust 
Zu den Gefilden hoher Ahnen. 
In einem solchen Doppelbewußtsein, wie es die Worte des 
goetheschen Faust aussprechen, ist eine solche Fülle von Kraft- und 
Selbstgefühl, von Erhebung und Herrlichkeit enthalten, daß man von 
ihm nicht sagen kann, es sei unglücklich. Diese Gestalten des modernen 
Bewußtseins, die als Zerrissenheit, Weltschmerz u. s. f. sowohl gelten 
als gelten wollen, wissen sich viel zu viel mit ihrenr Unglück und 
machen damit viel zu viel Staat, um in Wahrheit unglücklich zu sein. 
Dazu gehört das Elend und die Ohnmacht des Wissens. Darum hat 
Hegel das unglückliche Bewußtsein, welches in der Phänomenologie der 
gegenwärtigen Stelle, nämlich der zweiten Hauptstufe des Bewußtseins 
angehört und dieselbe vollendet, von jenen modernen Gestalten wohl 
unterschieden. 
Die entgegengesetzten Mächte, welche das unglückliche Bewußtsein 
als seine zwei Seelen in sich trägt und nicht zusammenzubringen und 
zu vereinigen vermag, müssen ihm ebendeshalb als getrennte und 
einander fremde Wesen erscheinen, als Gegenmächte, die einander der 
gestalt ausschließen, daß jedes die Gestalt eines einzelnen, fürsichseienden 
Wesens annimmt. Die beiden Mächte sind das unwandelbare und 
das wandelbare Bewußtsein: jenes erscheint als die einzelne, unwandel 
bare, göttliche Person, dieses als das einzelne, empirische und zufällige 
Subject, als ein solches gilt sich das unglückliche Bewußtsein selbst. 
Zwischen beiden besteht eine unübersteigliche Kluft, sie verhalten sich, 
wie Jenseits und Diesseits, der Zustand, worin sich die Mächte 
des Bewußtseins befinden, ist der eines unüberwindlichen Dualismus, 
der die Seeleneinheit zerstört, daher das Bewußtsein unglückselig 
und wahrhaft unglücklich macht und die Bezeichnung motivirt, welche 
der antidualistisch gesinnte Philosoph gewählt hat: „das unglückliche 
Bewußtsein", „dieses unglückliche, in sich entzweite Bewußt 
sein"? 
Nunmehr sind die Gegenstände oder Themata dieses Bewußtseins 
zu entwickeln. Das Erste ist seine Beziehung zu jener göttlichen
	        
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