Hegels Berufung nach Berlin.
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hatte Jahre lang zu fühlen, daß seine Person nicht geheuer erschien.
Es war die Zeit nach Kotzebues Ermordung. Der Professor De Wette
in Berlin wurde wegen seines Trostbriefes an die Mutter Sands ab
gesetzt, Schleiermachers Predigten von einem Polizeiagenten überwacht,
Arndts Vorlesungen verboten, beide Welcher in Bonn gefährdet, und
der Großherzog Karl August von Sachsen-Weimar war in den Augen
Metternichs der verhaßteste aller Fürsten und hieß bei ihm „der Alt
bursche", als ob er es gewesen sei, der die Burschenschaft gemacht habe.
III. Hegel und Johannes Schulze.
Wir haben schon der Bedeutung gedacht, welche in diesen Zeiten
zweifacher Verworrenheit die Lehre Hegels hatte und Altenstein mit
vollem Rechte ihr auch zuschrieb; sie war in seinen Augen das beste,
still und tief wirkende Heilmittel gegen die herrschende, nach beiden
Seiten um sich greifende verderbliche Confusion. Aus eigenem Antrieb,
wohl auch angeregt durch die Schätzung des Ministers, empfand Schulze
das Bedürfniß, diese Lehre kennen zu lernen und aus philosophischem
Standpunkte, dessen Ausbildung durch eigene Studien ihm bisher ge
fehlt hatte, sich über den Umkreis und Zusammenhang der Wissen
schaften encyklopädisch zu orientiren. Lassen wir ihn selbst reden.
„Ich beschloß", so erzählt er in seinen Denkwürdigkeiten, „zunächst ein
umfassendes Studium der Philosophie in ihrem neuesten System um
so mehr eintreten zu lassen, als ich dasselbe bisher auf Spinozas Ethik,
auf Schleiermachers Vorlesungen über die philosophische und christliche
Ethik, auf Kants Kritik der reinen Vernunft und auf einige wenige
speculative Dialoge Platos beschränkt hatte. Zu diesem Zwecke besuchte
ich von 1819—1821 täglich in zwei Abendstunden sämmtliche Vor
lesungen Hegels über Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften,
Logik, Psychologie, Philosophie des Rechts, Geschichte der Philosophie,
Naturphilosophie, Philosophie der Kunst, Philosophie der Geschichte
und Philosophie der Religion und scheute die Mühe nicht, mir den
Inhalt sämmtlicher Vorlesungen durch sorgfältige, von mir nachgeschriebene
Hefte nur noch mehr anzueignen. Nach Beendigung seiner Vorlesungen
pflegte er mich durch seinen Besuch in meiner Wohnung zu erfreuen
oder bei einem gemeinschaftlichen Spaziergang auf die weitere Er
örterung einzelner von mir aufgeworfener Fragen über Gegenstände
seines Vortrags einzugehen." „Wie viel ich seinen Vorlesungen, seinen
Werken und seinem vertrauten Umgänge in Bezug auf meine wissen