Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Hegel als Professor der Philosophie in Heidelberg. 121 
Anders verhielten sich ihre Ansichten und Sympathien auf dem 
Gebiete der Religion und Philosophie. Cousin, wie es seine Herkunft 
und Erziehung mit sich brachten, stand auf seiten der römisch-katholischen 
Kirche, ohne allen Fanatismus, während Hegel ein sehr entschiedener 
Protestant war und den Protestantismus, wie er es oft genug in 
seinen Briefen an Niethammer gut und treffend ausgesprochen hat, 
nicht bloß für eine Confession ansah, sondern für einen andern höheren 
„Bildungszustand", vornehmlich auch des Volks. Hegel mit seinem 
weiten historischen Blick wußte die französische Philosophie des acht 
zehnten Jahrhunderts in ihrer ganzen Bedeutung zu schätzen, während 
Cousin mit seinen: schottischen Spiritualismus derselben abgeneigt war. 
Nun brannte Cousin vor Begierde, die hegelsche Philosophie kennen 
zu lernen, von welcher Friedrich Schlegel in Frankfurt ihm nur ge 
legentlich bemerkt hatte, sie sei „subtil"; er selbst glaubte zu wissen, 
daß Hegel von Schelling in der Naturphilosophie abhänge und inner 
halb dieser zur Zeit in Deutschland herrschenden Schule wohl die 
wichtigste Erscheinung sei, aber von Schelling und der Naturphilosophie 
hatte Cousin einigermaßen eingehende, klare und genauere Vorstellungen 
so gut wie gar keine. Das jüngste, eben erschienene Werk Hegels war 
die Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften. Mit Hülfe Carovos, 
der französisch sprach und Hegels Zuhörer und Anhänger war, hoffte 
Cousin das geheimnißvolle Buch schnell zu durchdringen. In dem 
Heidelberger Schloßgarten und auf dem Philosophenwege haben die 
beiden jungen Männer in den Herbsttagen des Jahres 1817 gemein 
same Spaziergänge gemacht, die Encyklopädie in der Hand, welche 
Carove nach Wort und Sinn zu verdolmetschen suchte. Abends zur 
Theestunde erschienen sie bei Hegel und fragten das Orakel, da Carovs, 
wie Cousin bald bemerkt hatte, von der eigentlichen Sache kaum mehr 
verstand als er selbst. Er fühlte sich von ungelösten Fragen und 
Problemen bestürmt, als er von Hegel Abschied nahm mit dem Ent 
schluß, im nächsten Jahre wiederzukommen und nach München zu gehn, 
um dort von jenen „drei eminentesten Philosophen der Gegenwart" 
die beiden anwesenden kennen zu lernen: Jacobi und Schelling. 
Bei dem Rückblick auf seinen ersten Aufenthalt in Deutschland, 
in der Nacht vor der Rückkehr in sein Vaterland, am 15. November 
in Kehl, suchte Cousin die gewonnenen Eindrücke zu sammeln. Die 
Untersuchungen der deutschen Kritik mit ihren streitigen und bestrittenen 
Ergebnissen umwirbelten ihn wie ein Chaos: es sollte keine römischen
	        
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