Vormarsch über den Tanew
(25. 3uni bis 1. Zuli 1915)
Hiezu Beilage 4
Als am 25. Zuni nachmittags während des Rasttages das Marschaviso für das 1., 2. und
5. Regiment ausgegeben wurde, war allgemeine Freude, denn man glaubte, es handle sich um
den Abtransport gegen Stalien, so daß man endlich aus Gallien herauszukommen hoffte, das
den gebirgsgewohnten Kaiserjägern mit seiner sandigen Eintönigkeit bei schönem Wetter und
dem grundlosen Kotmeer bei Regen wenig behagte. Umso größer war die Enttäuschung, als man
erfuhr, daß noch am 25. die Verlegung des der 4. Armee als Reserve folgenden XIV. Korps
an den San beginnen werde und die Kaiserjäger im Verbände der 8. Division am nächsten Tage
in den Raum um Lesajsk abzurücken hatten.
Die Verbündeten hatten sich entschlossen, wieder wie im Sommer 1914, zunächst nach Russisch-
Polen vorzustoßen, diesmal unter weit günstigeren Bedingungen, weil gleichzeitig die Kräfte west¬
lich der Weichsel und die Deutschen aus Ostpreußen den Druck unterstützten, so daß sich ein Kessel¬
treiben gegen die in Polen befindlichen Hauptkräfte der Russen entwickeln mußte. Als Einleitung
hatte die deutsche 11. Armee am 26. Zuni den Vormarsch anzutreten, um im Verein mit der
k. und k. 4. Armee den nördlich von Lemberg noch südlich der Reichsgrenze, mit dem Westflügel
vom unteren San hinter den Tanew zurUckgegangenen und dort in neuer Stellung befindlichen
Feind zu werfen.
Am 26. Zuni früh mußten die Truppen der 8. Division nach kurzer Erholungspause aus ihren
Stationen Karmen und Iwwisko aufbrechen. Das 1. Regiment marschierte nach Le^ajsk, das 2.
nach Staremiasto, das 5. nach Siedlanka und Podzwierzgniec. Diese wohlbekannten Kampforte
vom Oktober 1914 waren überfüllt mit Trains und Anstalten der 5. Division, die bereits auf
dem rechten Sanufer stand. Die Kaiserjäger bezogen Ortschaftslager und nächtigten bei dem schönen
Wetter im Freien.
Der 27., ein Sonntag, war Rasttag. Die Verpflegung war gut, so daß die Stimmung trotz
der Hitze ausgezeichnet war. Es konnte im San gebadet werden, wobei leider 8 Mann ertranken.
Nachmittags erfreute sich alles in LeSajsk an der Platzmusik. Eine Waggonladung mit Liebes¬
gaben war aus der Heimat eingetroffen, Wäsche, Briefpapier, Zigaretten und allerhand Ge¬
brauchsgegenstände. Keiner ging leer aus und alles fand freudigft Anerkennung aus dankbarem
Herzen. Abends sahen die ruhenden Kaiserjäger in nordöstlicher Richtung jenseits des San den
Feuerschein brennender Ortschaften und Gehöfte, das sichere Zeichen, daß die Russen im Rückzüge
waren. Die Stimmung hob sich auf die Kunde, daß die Offensive der 11. Armee bereits gute
Fortschritte machte und der rechte Flügel der 4. Armee im Vorgehen durch das breit versumpfte
und bewaldete Gebiet des Tanew war. -
Am 28. wurde das Gros der 8. Division hinter der im Vormarsch befindlichen 5. Division
auf das rechte Sanufer verlegt. Das 1. und das 5. Regiment überschritten bei Staremiasto auf
einer neu gebauten Holzbrücke den San. Die 1er Kaiserjäger kamen schon um Mittag in
ihre neuen Ouartiere. nach Oranna und Dabro^ica. Das 5. Reaiment wurde in Kurgtowka
untergebracht. Die russischen Flieger waren m den letzten Tagen sehr unternehmend geworden.
Sie warfen Bomben ab. Die Regimenter stellten Maschinengewehre zur Abwehr auf.
Die Disposition für den 29. ordnete den Vormarsch des 1. und des 2. Regiments über die
Reichsgrenze nach Lüchow, des 5. Regiments nach Bukowina an. Der Marsch ging in nord-
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