Volltext: Viribus Vnitis. Das Buch vom Kaiser

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equestrische Evolutionen und Entwicklung grösserer Massen. Sie bot denn auch oft genug den Rahmen für die Abhaltung höfischer 
Reiterfeste. Vier solcher »Caroussels« haben im Laufe des letzten Halbjahrhunderts stattgefunden. Das erste im grossen Stil 1854 
zur Feier der Vermälung Ihrer Majestäten, neun Jahre später das zweite. Dann wurde erst im Jahre 1880 eines abgehalten, wobei 
Episoden aus den Kreuzzügen zur Darstellung kamen. Das glänzendste Schauspiel sah die Reitschule wohl, als man im Frühjahr 
1894 ein grosses Caroussel zu wohlthätigem Zweck arrangierte. Der Einzug der Kaiserin Elisabeth Christine im Jahre 1713 bildete 
den Vorwurf. Vier Prinzen des Erzhauses wirkten mit. Es war eine glanzvolle Auferstehung jener glorreichen und prachtliebenden 
Zeit, zugleich eine Erinnerung an die grossen Tage des österreichischen Heeres, deren Gedächtnis sich an die Namen Zenta, 
Hochstädt, Turin, Audenarde knüpft. Von den beiden Galerien des Saales blickten holde Frauen und ernste Männer sinnend und 
staunend nieder auf das farbensatte Bild, das versunkene, verklungene Tage zu neuem Leben weckte. 
Auch Jemand, der nie dem Pferdesport in irgend einer Form gehuldigt, begreift es beim Anblick der lebenden und todten 
Schätze des kaiserlichen Marstalles vollkommen, dass Personen von hoher Stellung und Intelligenz mit demselben so verwachsen 
sind, dass ihnen eine Trennung ausserordentlich schwer fällt. Ein Beispiel dafür bietet der derzeitige Erste Obersthofmeister, Prinz 
Rudolf Liechtenstein. Bei Antritt seines jetzigen hohen Amtes hat er es sich von Seiner Majestät als Gnade erbeten, die 
Functionen des Oberststallmeisters, welche Stellung er bis dahin bekleidet, auch fernerhin beibehalten zu dürfen. 
Oft kann man Prinz Liechtenstein am frühen Morgen einer Abtheilung jener edlen Thiere sich anschliessen sehen, die 
zum Theil unter dem Sattel, zum Theil als Handpferde sich in den Prater begeben, um Bewegung zu machen. Mitunter befindet sich 
bei der »Abtheilung« auch eine nicht dem Status angehörige Persönlichkeit, der aus irgend einem Grunde die Erlaubnis ertheilt 
wurde, ein Pferd des Marstalles zu benützen. Immer aber begleitet den Zug eine der, dem Marstallpersonale direct vorstehenden 
Personen, wie Oberbereiter Wagner, Leibbereiter Lechartier etc. 
Was für die Allgemeinheit gebaut und geschaffen wird, betrachtet der Kaiser als das schönste Geschenk, das man ihm 
darbringen könnte. Nichts empfindet er so wohl als Wohlthätigkeit. Nichts vermag ihn so zu erheben, als der Anblick der 
allgemeinen Begeisterung für eine grosse und gute Sache. So kommt es, dass bei keiner Tafel, die für das Volk des Reiches, 
für die Bürger Wiens als Gesammtheit gedeckt wird, der erste und vornehmste Gast, der Kaiser, fehlt. Zu denen, die nicht zu 
ihm kommen können, geht er selbst. Er legt den ersten Stein und säet das erste Korn, und wenn im freien Lichte aufrecht 
* 1. K. u. k. Garde und Rittmeister Ernst Graf Wurmbrand-Stuppach.
	        
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