Volltext: Viribus Vnitis. Das Buch vom Kaiser

TOTISER MANÖVER; DER RUSSISCHE 
GENERALSTABS-CHEF OBRUTSCHEW. 
Das Tagewerk des Kaisers bei den grossen Manövern ist kein ganz gleichmässiges. Die Dauer der Gefechte und die 
zurückzulegenden Strecken nehmen ja Einfluss auf die Zeiteintheilung. Der Kaiser frühstückt allein. Mittags und Abends ist Tafel. 
Man speiste in Totis, wie erwähnt, und man speist, wo es sonst die Verhältnisse erlauben, im Zelte; eine Zeitlang ist hiezu 
das einst im Besitze des Erzherzogs Albrecht gewesene, welches nun Eigenthum des Erzherzogs Friedrich ist, benutzt worden. 
Seither hat der Kaiser ein eigenes Zelt machen lassen. Das ganze Tischgeräth ist feldmässig und nach dem Muster des Erzherzog 
Albrecht’schen Services ebenfalls neu beschafft. Das Mittagessen findet nicht vor zwei Uhr statt. Nur einfache, bürgerliche Speisen 
kommen auf den Tisch. Man kann nicht sagen, es werde feldmässig gespeist, denn man isst gut, und im Felde, besonders während 
der Marschbewegung isst man gewöhnlich sehr schlecht; das Fleisch der »operativen Ochsen« ist ja ein berüchtigter Begriff; hievon 
ist an der kaiserlichen Manövertafel natürlich nichts zu bemerken. Da wird das beste Fleisch anerkennenswerther Friedensochsen 
verzehrt. Man weiss, dass unser Kaiser rasch und wenig isst. Bei den grossen Manövern mit ihren vielstündigen Ritten in frischer, 
guter Luft, mit ihren lebhaften Anregungen wird ein erfreulicher Unterschied bemerkt. Das Mahl scheint ihm etwas weniger neben 
sächlich, als in seiner gewöhnlichen Residenz. Es wird blos Pilsnerbier, weisser und rother Tischwein getrunken. Selbst die Anwesenheit 
des deutschen Kaisers in Totis änderte nichts daran. Es gab keinen Champagner. Die feldmässige Einfachheit wurde aufrecht erhalten. 
Das Mittagmahl verläuft rasch, die Abendtafel aber, 7 Uhr 30 Minuten bis g Uhr, hat einen behaglicheren Verlauf. Der Kaiser 
betheiligt sich lebhaft an jenen Erörterungen, welche sich an die Manöver des Tages knüpfen. Er sitzt in der Mitte der Langseite, 
ihm gegenüber der Chef des Generalstabes. Die andern Theilnehmer sitzen in zwangloser Reihe und Mittags kommen oft Nach 
zügler, etwa Schiedsrichter oder Generalstabs-Offieiere, welche an entfernten Punkten des Manöverfeldes zu thun hatten, und 
diese reihen sich ein, wo sie Platz finden. Sie melden, oder der Kaiser frägt sie um Einzelheiten. Die grösste, feierlichste Floftafel 
mit all’ ihrem Glanze, mit ihrer Pracht der Zurüstung wiegt den anheimelnden, interessanten Eindruck dieser soldatisch einfachen 
Mahlzeiten nicht auf. 
Zum Schlüsse wird der taktisch-strategische Nachtisch gereicht. Der Chef des Generalstabes verliest den Befehl für den 
nächsten Tag für das Gefolge und besonders die Organe der Oberleitung, sowie die Eintheilung der Schiedsrichter u. dgl.; dann 
werden die beiderseitigen Dispositionen, welche um diese Zeit schon gebracht oder geholt sind, verlesen und Kartenskizzen der 
beiderseitigen Nachtruhestellungen vertheilt. Auch die Schiedsrichter bekommen solche und so ist Jedermann von der Lage beider 
Parteien, von den Absichten der beiden gegnerischen Commandanten im Klaren. Man kann sich auf der Karte abzirkeln, wo sich 
in einem gegebenen Zeitpunkte des nächsten Tages jeder Theil befinden will; man kann ersehen, wo die beiden Willen zusammen- 
stossen, wo es also zum Kampfe kommen dürfte, wohin also die Einen reiten müssen, um zu sehen, und die Andern, um als 
Schiedsrichter das Schlachtenschicksal zu lenken.
	        
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