Volltext: Viribus Vnitis. Das Buch vom Kaiser

TOTISER MANÖVER: LEITERWAGEN-TRIBÜNE AUF FREIEM FELDE. 
Einzig war der Gedanke der Gemeinde Totis, die lange 
Strasse vom Bahnhofe bis zum kaiserlichen Quartiere dicht mit 
Lorbeerblättern zu bestreuen, sowohl als unser Kaiser kam, als 
auch später noch einmal für die Ankunft des deutschen Kaisers. 
Grosse Ladungen waren aus dem Süden bezogen worden. 
Während der ganzen Manöverzeit lag der starke, würzige 
Geruch dieser Blätter über der Stadt und ihrer nächsten 
Umgegend. 
Festliche Stimmung herrschte im Orte schon vor des 
Kaisers Ankunft. Beflaggte Masten säumten in unabsehbarer 
Doppelreihe die Zufahrtstrasse. Ein Gewühl von Bauern und 
Bürgern in Sonntagskleidern erfüllte sie. Deputationen mit 
Fahnen kommen auf landesüblichen Leiterwagen aus Märkten 
und Dörfern des Comitates. Die Bergleute von Ober-Galla, 
meist Schwaben, in ihren alterthümlichen Bergmannskleidern 
marschieren an. Die Feuerwehren des ganzen Comitates, von 
nahe und fern kommend, haben sich gesammelt und stellen 
sich für das Spalier zur Verfügung. Dann zieht paarweise die Totiser Mädchenschule mit ihren kleinen Fahnen gegen den 
Bahnhof; ein erlesener Willkomm! Die Leute schmücken eben die Ankunftstrasse mit dem Schönsten und Liebsten, was sie 
haben. Ganz junge Mädchenknospen sind all überall eine liebe Sache; auch in Totis; damit aber eine Steigerung sei, erwarten 
auch aufgeblühte Rosen den geliebten König; sechzehn bis achtzehnjährige Mädchen in ungarischer Tracht, mit weissen Kleidern, 
mit schwarz-weissen Miedern, säumen an einer Strecke den Weg. Eine entzückende Augenweide! Blitzende Augen, schöne und 
ausdrucksvolle Gesichter, frische, temperamentvolle Persönlichkeiten in solcher Menge wirken berückend und ähnlicher Zierath für 
den Zugang zum Triumphbogen ist wohl nicht in vielen Ländern in solcher Menge und Beschaffenheit wieder zu finden. Das 
Schönste daran war die siedende Begeisterung dieser jungen Wesen. Das prickelte und zitterte vor Erregung und ein Jubel drang 
aus diesen Lippen, als der Erwartete kam, welcher Jedem Freude machen musste, welcher Zeuge — und wie erst Jenem, der das 
Ziel desselben war. Dann ritt das Totiser »Banderium« ein. Das ist ein barbarisches, mittelalterliches Wort von lateinischem 
Klange und bedeutet »Fahne«, also ein Ding, welches einer Bande vorausgetragen wurde. Im übertragenen Sinne nannte man 
jene Banden so, welche die Prälaten und Magnaten in’s Feld und zu den Reichstagen geleiteten. Wir können das Wort mit 
»Ehrengeleite« übersetzen. Das Comitat hatte zwanzig ansehnliche Bauern gleichmässig mit weiten, weissen Leinenhosen, — weit 
wie Weiberröcke! — mit rothen Westen und Hemden, deren enorm weite und offene Aermel wie Flügel im Winde flattern, 
bekleidet, sie auf zwanzig hübsche, ebenfalls gleichmässig gerüstete Pferde gesetzt und nun begab sich diese kleine Abtheilung 
Volksreiterei zum Bahnhofe, um den König zu erwarten. Endlich rückten noch die letzten Abordnungen — Genossenschaften, Vereine, 
Sängerchöre, Alles mit Fahnen, an ihre Plätze. Längs der ganzen Zufahrtstrasse, beiderseits durch Spaliere eingehegt, wogte die 
Volksmasse und wartete. Ungarisches Volk wartet nicht ruhig. Resigniertes Stillestehen ist ihm fremd. Ist es der Paprika, oder der 
Weinstrom, welcher durch die Nation fliesst, oder der Gegensatz von Sommerbrand und Winterfrost in der Steppe, oder ist’s 
endlich eine prähistorische Erbschaft: Die Magyaren sind lebhafter, als irgend ein Volk Oesterreich-Ungarns. Sie treten mehr aus 
sich heraus. Zorn und Freude äussern sich heftiger. Ihr Gespräch dröhnt in kräftigem, gepresst hohem Tone, wobei die raschen 
Hammerschläge ihrer Suffixsprache den Takt geben. Dann hat der Ungar, so wie gar viele andere Menschen bei grosser Hitze 
starken Durst. Aus diesem Grunde waren auf der zwei Kilometer langen schattenlosen Bahnstrasse Schankzelte im freien Felde
	        
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