Volltext: Oberösterreichische Männergestalten aus dem letzten Jahrhundert

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Vorteil, daß in demselben Jahre sein Freund Süßmayr als 
zweiter Kapellmeister dieser Bühne vorstand. 
Vogl besaß einen umfangreichen Tenor mit baritonaler 
Färbung. Kraft seiner tiefgehenden Bildung unterschied er 
sich wesentlich von den meisten seiner Kollegen und genoß 
deshalb auch allgemeine Wertschätzung bei Literaten und Kunst 
freunden. Die zeitgenössische Kritik lobt besonders seinen leben 
digen Vortrag, worin übrigens auch nach Aussage aller Schu- 
bertianer seine Stärke lag; seiner hervorragenden Vortrags 
wirkung konnte sich keiner seiner Zuhörer entziehen. Vogl 
verstand es, sich nicht nur auf der Bühne, sondern auch im gesell 
schaftlichen Leben Respekt zu verschaffen, ja man blickte auf den 
gebildeten Sänger mit einer gewissen Hochachtung. Er war 
das, was man heute vielleicht den Typus eines dramatischen 
Sängers nennen würde und eben deshalb groß im Charakte 
ristischen. Auch freute er sich nur an solchen Rollen, die es ihm 
möglich machten, einen entschieden dramatischen Charakter 
darzustellen. 
Von mancher Seite wird Vogl als sonderbarer Kauz, 
ja als Sonderling hingestellt. Nun das dürfte ein wenig über 
trieben sein. Jedenfalls war er kein gewöhnlicher Mensch, 
sondern eine Ausnahmeerscheinnng. Die Erziehung im Stift 
Kremsmünster wirkte sich in seiner Lektüre und auch in seinen 
späteren Privatstunden in Wien mächtig aus. Der Grundzug 
seines Wesens war eine moralische Skepsis, sein Tun und Lassen 
stand mit dieser Sinnesrichtung im natürlichen und demzufolge 
auch innigsten Zusammenhang. 
Das Alte Testament, die Evangelien der Stoiker, Marc 
Aurels Betrachtungen und Epiktets Enchiridion, Thomas a 
Kempis, Taulerus hatte sich der Sänger Vogl zu seinen treuen 
Begleitern und steten Ratgebern des Lebens gemacht. Während 
der Zwischenpausen der Opernvorstellungen oblag er der 
Lektüre lateinischer und griechischer Klassiker in der Original 
sprache; oft ging er hinter den Kulissen gemessenen Schrittes 
auf und ab, halblaut griechische Verse vor sich hinsprechend. 
Die Verehrer nannten ihn „einen griechischen Vogl, der in 
Oberösterreich flattere". Dieses geflügelte Wort stammt 
übrigens von Schubert selbst und trifft das Wesen des Bühnen 
künstlers vielleicht besser, als es ausführliche Abhandlungen 
und ernste Betrachtungen vermögen. 
Um das Jahr 1817 — das genaue Datum ist kaum zu 
ermitteln — lernte Schubert den Tenoristen kennen. Diese 
erste Begegnung trug sich so zu. Schober, einer der innigsten 
Freunde und aufrichtigsten Verehrer des Liederfürsten, hatte
	        
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