Volltext: Von Dante zu d'Annunzio

ganzen Menschheit gehören und daher nicht mehr als Horwurf wirken wer¬ 
den. Lwei davon sind es vornehmlich: Bescheidenheit und Sachlichkeit. 
Vas deutsche Holk ist das bescheidenste der Erde, gerade weil 
es das wertvollste ist. Man dark allerdings, wie gesagt, dabei nicht 
an den iUeinreifenden denken. Mer den deutschen Uolksgenius 
in seiner tiefen Bescheidenheit kennen lernen will, der lese die 
Schriften Luthers, der wahrlich ein größerer Revolutionär war als alle 
diese aufgeblasenen Cheaterrousseaus und Rolportagedantons; die Ge- 
lpräche Goethes, der ein größerer Seher und Geltalter war als dieser 
eitle und herzlose Brillantfeuerwerker Holtaire; die Memoiren Bis¬ 
marcks; die Briefe Beethovens; die Biographie Kants. Kant brauchte 
keine illyrifcben Provinzen, kein Königreich (Ueftfalen und Herzogtum 
Marschau, keine eiserne Krone der Langobarden, ihm genügte sein 
kleines Königsberg, eine winzige Gartenwohnung und ein paar hundert 
Caler Jahresgehalt — und er hat mehr in Europa verändert als der 
große Napoleon! Mer die deutsche Bescheidenheit kennen lernen will, 
der betrachte die Helden der deutschen Dichtung und der deutschen 
Geschichte, denn in diesen objektiviert sich der Geist des Holkes. Sauft 
und Sriedrid) der Große: welches Holk hat solche Dationalhelden? 
Liehen wir vom Frankreich des achtzehnten Jahrhunderts Ludwig XIV. 
ab, was bleibt übrig? Nichts, denn Frankreich war nichts anderes als 
die Expansion dieser glänzenden herrscherlaune, die Ausstrahlung dieser 
königlichen Sonne. Liehen wir von Friedrich II. Preußen ab, was bleibt 
übrig? Ebenfalls nichts, denn dieser König war nichts anderes als die 
Lusammenfassung der tausend Aufgaben, Arbeiten und Pflichten, die 
sein Land täglich und stündlich für ihn erzeugte. Und betrachten wir 
doch auch jetzt wieder die bescheidene, besonnene, fast demütige 
Haltung der Deutschen. Meiches Criumphgeschrei hätte sich vom Kanal 
bis zu den Pyrenäen erhoben, wenn es den Franzosen gelungen wäre, 
ein Achtel von Deutschland zu besetzen und eine Reihe wichtiger 
Grenzfestungen einzunehmen! Mas für schadenfrohe, hochmütige Reden 
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