Volltext: Von Dante zu d'Annunzio

€r bat sehr empfindliche Begriffe von der 6bre, weniger entwickelte 
von der Pflicht. €r weih sich vortrefflich zu benehmen, geistreich zu 
plaudern und mit 5rauen umzugehen, kr nimmt es mit den Dingen 
des Anstandes, der guten Sitte und des pittoresken Edelmutes lehr 
genau, weniger genau mit den Dingen der Sittlichkeit und der Auf¬ 
richtigkeit. Sein ganzes Leben ist ein Romanbucb: spannend, brillant, 
gefühlvoll und nicht immer wahr. €r ist eine Cuxuserfcbeinung. 
Der germanische Fjeld ist das Gegenteil von alledem. Er ist eine 
reale, ungeschminkte und oft unerfreuliche Notwendigkeit. Er ist nicht 
etwas Glänzendes, Pomphaftes, eine Art dankbarer Bühnenfigur. Seine 
staupteigenschaft besteht darin, dafc er immer die Wahrheit redet, 
immer auf Tatsachen fufet- Er ist der tapferste Mensch, aber seine 
Tapferkeit hat nichts Blendendes, theatralisches: er besteht keine bunten 
wunderbaren Abenteuer, sondern er kämpft den weit schwierigeren 
Kampf mit der Wirklichkeit. Dieser Kardinalunter(cbied wird sogleich 
klarer, als Worte es bezeichnen können, wenn man konkrete Erscheinungen 
miteinander kontrastiert: zum Beispiel die Schlichtheit eines Goethe mit 
der „brillance“ eines Uoltaire, jenes Voltaire, den die Sranzojen selbst 
als ihren größten Genius bezeichnen. Und in der Cat zeigt sich auch 
in ihm der ganze französische Uolksgeist im Extrakt. Voltaire war, 
wenn man sozusagen das Diagramm seines Wesens bezeichnen will, 
ein Schauspieler. Es ist das Eigentümliche des begabten Schauspielers, 
daß er glaubt, was er spielt und dadurch auch andere dazu bringt, 
es zu glauben; und daß er alles spielen, alles eine Zeit lang sein 
kann, gefühlvoll und verständig, brav und schurkisch, vornehm und 
gewöhnlich- 3m Wunde ist er nichts. Das kennzeichnet den Umfang 
und die Grenzen von Voltaires Begabung und löst zugleich das Rätsel, 
daß ein so ausgezeichneter Schriftsteller ein so wertloser Mensch sein 
konnte. Er riß hin, solange er spielte, das heißt, dichtete und schrieb; 
wenn er dies aber nicht tat, blieb fürs Leben nichts übrig als eben 
ein Mensch mit den typischen Gharaktereigenschaften eines Schau¬ 
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