Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
51
Erst ein halbes Jahr später hat sich die Oberste Heeresleitung näher mit
der Frage beschäftigt, wann, wo und wie auf dem westlichen Kriegsschau¬
platz angegriffen werden könne. Das Ziel war dabei aber zunächst nur, den
für das Jahr 1913 erwarteten feindlichen Großangriffen, insbesondere dem
in Flandern, durch eigenen Angriff zuvorzukommen und dadurch die Ge¬
samtlage zu verbessern. In diesem Sinne faßte der Chef der Operations-
abteilung, Major Wetzell, in einer Niederschrift vom 23.Oktobers, also
unmittelbar vor Beginn der Offensive in Oberitalien, „die Vorbereitung
eines großen Angriffs gegen den rechten Flügel der englischen Flandern-
Front mit Stoßrichtung aus dem rechten Flügel der 6. Armee (Armen¬
tieres—Lens) und gleichzeitigem Angriff der 4. Armee'auf ihrem rechten
Flügel" für das kommende Frühjahr ins Auge. Er nahm dazu 30 Divisionen
in Aussicht und wählte den Zeitpunkt, Ende Februar 1918, so früh, daß die
Hilfe der Amerikaner für die Westmächte noch nicht entscheidend ins Gewicht
fallen konnte. General Ludendorff beschränkte sich auf die Randbemerkung:
„Gut, alles kommt auf Italien an."
Am dieselbe Zeit trat auch die Heersgruppe Kronprinz Rup-
precht der Frage näher, ob sich im kommenden Frühjahr die Möglichkeit
eines größeren Angriffs ergeben könnte. In einer Denkschrift vom 25. Ok-
tober^) vertrat sie den Standpunkt, daß angesichts der starken, durch Hinzu-
treten der Amerikaner noch vermehrten Kräfteüberlegenheit der Entente
sich eine große deutsche Offensive ebensowenig empfehlen würde wie reine
Abwehr in zermürbenden Materialschlachten. Sie schlug daher vor, feinde
lichen Angriffen, die sie für das Frühjahr 1918 mit Sicherheit in Flandern
erwartete, planmäßig auszuweichen und „starke, ausfallartige Offensiv-
schlüge" an nicht angegriffenen Frontteilen, z. B. an der Lys-Front, in der
Richtung auf Armentieres—Bailleul zu führen, also im wesentlichen um
Zeitgewinn zu kämpfen. Die Antwort des Generals Ludendorff vom
28. Oktober machte zwar die Durchführung des vorgeschlagenen Angriffs
von der Gesamtlage auf allen Kriegsschauplätzen im nächsten Frühjahr
abhängig, maß ihm aber doch bei stärkstem Kräfteeinsatz größere Erfolgs-
aussichten zu als die Heeresgruppe und bat um Vorlage eines Entwurfs
für diesen Artgriff: „Wenn er durchführbar wäre, so müßte er so früh wie
möglich beginnen, um der Einwirkung der Amerikaner zuvorzukommen.
Andererseits müßten dazu so starke Kräfte eingesetzt werden, wie nur irgend,
ohne die Gesamtlage zu gefährden, verfügbar gemacht werden können.
Dann würde auch das zu steckende Ziel, die Engländer zu schlagen und die
englische Flandern-Offensive aufzuhalten, erreicht und vielleicht eine ganz
neue Kriegslage geschaffen werden".
-) Bd. XIII, S. 330 f. -) Bd. XIII. £.3?7f.