General Groener Erster Generalquartiermeister.
69Z
Weise setzen die Offiziere bis zu den höchsten Führern sich ein, um wankende
Verbände zu stützen. Es ist aber nicht zu leugnen, daß hier und da der Geist
und innere Halt einzelner Truppenteile infolge der anhaltend großen Über-
spannung zu versagen beginnt.... Ich bin zu der Meldung verpflichtet,
daß bei Fortsetzung starker Angriffe nach meiner Ansicht Und nach Meldung
meiner Armeen mit der Möglichkeit eines Durchbruchs gerechnet werden
muß1). Die Gefahr liegt vor, daß durch schwere Niederlagen Deutschland
seiner Wehrkraft völlig beraubt und zu bedingungsloser Übergabe ge-
zwungen wird. Ich sehe daher das kleinere Abel in einem Absetzen der
Front. Der Verlust großer Werte, der mangelhafte Ausbau der Ant¬
werpen/Maas-Stellung und die Schwierigkeiten ihrer Versorgung werden
... eher zu überwinden sein als entscheidende Niederlagen an der Front....
Gelingt es, den Truppen einige Zeit Ruhe zu geben und ihnen Ersatz
zuzuführen, so ist zu hoffen, daß die Antwerpen/Maas-Stellung gehalten
werden kann".
Die Oberste Heeresleitung beurteilte die Lage anders. General- s«.ottob-r.
feldmarschall von Hindenburg antwortete am 23. Oktober: „Gelingt es
dem Heere, die feindlichen Angriffe noch einige Tage abzuwehren und
wenig Boden zu verlieren, so werden die von der Entente uns gestellten
Bedingungen weniger schwer sein, als wenn unsere ganze Front zwischen
Meer und Verdun jetzt zurückgeht. Die Wirkung auf In- und Ausland
würde in diesem Augenblick die schwerwiegendsten Folgen haben. Nach
Meldung des Feldeisenbahnchefs würden Milliardenwerte und unersetz¬
bares Kriegsmaterial verlorengehen". Er konnte dem Vorschlage daher zur
Zeit nicht zustimmen.
Am 30.Oftober morgens traf General Groener in Spa ein und zo.o«»b-r.
übernahm die Geschäfte als Erster Generalquartiermeister. Er konnte sich
ebensowenig wie General Ludendorff restlos den militärischen Aufgaben
zuwenden, sondern mußte bei ihrer engen Verflechtung mit politischen
Fragen gleichzeitig schwierigste Verhandlungen mit der Reichsregierung
führen, stand ihr aber infolge Einschränkung der kaiserlichen Kommando-
gewalt^) nicht mit derselben souveränen Selbständigkeit gegenüber wie sein
großer Vorgänger; auch fehlte ihm dazu dessen in vier erfolgreichen Kriegs-
a) Ein Bild der Verhältnisse an der Front gibt eine von der Heeresgruppe am 26. Okt.
am Fernsprecher gegebene Schilderung über den Zustand zweier Divisionen, die an diesem
Tage „nicht standgehalten" hatten: „Stäbe und Burschen halten heute noch notdürftig
weiter vorwärts den Druck auf. Sie können nicht standhalten, wenn Feind morgen an-
greift, was sicher zu erwarten ist. Reserven stehen nicht zur Verfügung. 34. Inf. Div.,
abgekämpft, wird auf Lastwagen herangeführt".
2) S. 674.