Weitere Schritte in der Friedensfrage.
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„1.) Wo bzw. in welcher Linie beabsichtigt Oberste Heeresleitung end¬
gültig Widerstand zu leisten?
2.) Wann wird diese Linie erreicht sein?
3.) Wann ungefähr erscheint der Obersten Heeresleitung die beabsichtigte
Anregung zu Besprechungen über Friedensverhandlungen nach der Kriegs-
läge möglich und angezeigt?"
Unterdessen war die Westfront bereits in die Siegfried-Stellung und
anschließende, zu hartnäckigem Widerstande geeignete Linien zurückgenom-
men worden. Die Oberste Heeresleitung^) erbat vor Beantwortung
der Fragen den Besuch des Reichskanzlers in Spa. In seiner Vertretung
kam am 9. September Staatssekretär von Hintze. Er erfuhr, daß grö-
tzere Offensiven zwar ausgeschlossen, Gegenstöße aber möglich wären.
Die Frage, in welcher Linie endgültig Widerstand geleistet werden solle,
wurde dahin beantwortet: „Grundgedanke, wir bleiben stehen, wo wir
sind"2); insbesondere werde die Siegsried-Stellung gehalten werden^).
Mit der „Friedensvermittlung durch eine neutrale Macht ohne
Aufschub" war Generalfeldmarschall von Hindenburg nunmehr ein-
verstanden. Gegen Veröffentlichung der von Wien beabsichtigten „Note
an Alle" nahm er aber nochmals scharf Stellung: „Ich halte diesen
Schritt für unsere Heere und unsere Völker für verderblich"^). Vom
Inhalt dieser Besprechung hatte General von Cramon Kaiser Karl Kennt-
nis zu geben.
Dem nunmehr beabsichtigten deutschen Friedensschritt stimmten die
Türkei und Bulgarien zu. Dagegen hielt Österreich-Ungarn an
der seinerseits geplanten Note fest, von der Kaiser Karl nebenbei Wieder-
Herstellung des entschwundenen Vertrauens seiner Völker zur Krone er-
hoffte. So wurde die „Note an Alle" trotz nochmaliger wiederholter
deutscher Versuche, den deutschen Standpunkt durchzusetzen, am 14. Sep- i».s«pt-ml>«r.
tember veröffentlicht. Sie forderte alle kriegführenden Mächte zu einer
„vertraulichen und unverbindlichen Aussprache über die Grundprinzipien
eines Friedensschlusses in einem Ort des neutralen Auslandes und zu
einem nahen Zeitpunkt" auf.
Bei der Reichsregierung war man betroffen; denn der einseitige
Schritt Osterreich-Ungarns mußte den Zwiespalt der beiderseitigen Aus-
sassung wie das unaufschiebbare Friedensbedürfnis der Donaumonarchie
1) Wechsel in der Leitung der Oper. Abtlg. in diesen Tagen S. 594.
2) Akten des Ausw. Amtes.
3) Erich Ludendorff: „Meine Kriegserinnerungen", S. 567.
4) Gen. Ludendorff urteilte zurückhaltender (ebenda); vgl. auch S. 628, Anm. 1.