Die Frage des Rückzugs auf die Siegfried-Stellung.
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richtig erkannten Entschluß in solcher Lage aus politischen Gründen nicht
durchführt, so gerät man auf Abwege". General Ludendorfs habe sich
durch diese Antwort sichtbar getroffen gefühlt, man habe ihm den inneren
schweren Kampf angesehen^).
Vom Standpunkt der Westlage allein beurteilt, mußten die Vor-
schlage des Generals von Lohberg berechtigt erscheinen. Wenn General
Ludendorfs sie trotzdem ablehnte, so hatte er aber nicht rein „politische",
sondern ebensosehr militärische Gründe. Es waren dieselben, die ihn
schon vorher bewogen hatten, den Übergang zur Defensive zu vermeiden,
da er damit die Initiative aus der Hand gegeben hätte ^). Daß ihm diese
zur Zeit entrissen war, hat er als Leiter der Gesamtoperationen sicher
deutlich empfunden. Um so mehr war er bemüht, solche Erkenntnis
nach außen hin nicht hervortreten zu lassen und alle Verzichtgedanken in
sich niederzuringen. Wie lange sich solches Verfahren durchhalten ließ,
ohne daß der Gegner die Lage erkannte und der Umschwung dann um so
augenfälliger zutage trat, mußte allerdings fraglich erscheinen. Einst¬
weilen aber war General Ludendorfs noch davon überzeugt, daß er die
Initiative, wenn auch nicht durch große neue Offensiven, so doch durch
Teilschläge wieder in die Hand bekommen könne, denn er hielt trotz allem
an der Grundausfassung fest, daß die Angriffskrast der Gegner sehr starke
Einbuße erlitten habe. So sah er in ihrem Erfolg am 18. Juli vor allem
ein örtliches Versagen der deutschen Truppe und vielleicht eine letzte
Kraftanstrengung der Franzosen, nicht aber den Beweis einer grund¬
legenden Verschiebung des Gesamtkräfteverhältnisses.
Inzwischen war auch General von Kühl in einem längeren persön¬
lichen Fernschreiben an General Ludendorff nochmals für einen, allerdings
verkleinerten Hägen-Angriff eingetreten, doch sei dazu Einsatz aller jetzt
noch vorhandenen Kräfte nur gerechtfertigt, wenn Hagen eine Entscheidung
1) Gen. von Löhberg fährt in seiner Schilderung fort: Gen. Ludendorff habe ihm
schließlich „dem Sinne nach" gesagt: „Wenn Sie mir das sagen, dann werde ich den Feld-
Marschall um meinen Abschied bitten". Er sei trotz Abratens von seiner (des Gen. von Loß-
berg) Seite zum Generalfeldmarschall hineingegangen, aber mit der Nachricht zurückge-
kommen, daß dieser ihm den Abschied verweigert habe. Eine Bestätigung dieser Schilderung
war nicht zu erhalten. Gen. Feldm. von Hindenburg ist im Nov. 1933 auf Grund eines
damals dem Präsidenten des Reichsarchivs Genmaj. a. D. von Haeften vorliegenden 2ftanu-
skriptes zum Loßbergschen Buche über die Gesamtheit dieser Vorgänge befragt worden,
konnte sich ihrer aber nicht mehr erinnern (Aufzeichnung des Gen. von Haeften vom Febr.
1934). Im übrigen haben weder Gen. Wetzell, noch Gen. von Mertz, Gen. von Tieschowitz
oder Gen. von Oldershausen (damals Abtlgs. Chefs bei der O. H. L.) je etwas von dem
hier geschilderten Schritt des Gen. Ludendorff gehört.
2) S. 421 f.