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Übergang der Initiative an den Feind.
ts.go«. eine Katastrophe eintreten. Generaloberst von Boehn wollte die Wider¬
standskraft der Front daher durch allmähliche Verengung des Bogens er¬
höhen und den Gegner dabei durch stasselweises Ausweichen immer wieder
zu neuem Aufmarsch und Zeitverlust nötigen. Bei der Gruppe Watter,
gegen die unmittelbar südlich von Soissons der Hauptdruck des Feindes
gerichtet war, war dies allerdings nicht durchführbar, da dort jeder Boden¬
gewinn den Gegner den nach rückwärts führenden Bahnen (Soissons—Laon
und Aisne-Tal-Bahn) näher brachte. Da das südliche Marne-Ufer plan¬
mäßig in der kommenden Nacht geräumt werden sollte, konnte aber der
Südflügel der Abwehrfront unbedenklich etwas zurückgenommen werden.
Angesichts der bedrohlichen Lage bei der Gruppe Winckler befahl daher
Generaloberst von Boehn mittags das Ausweichen der Gruppen Schoeler
und Kathen in die Linie Wald 211 (nordöstl. von Bonnes)—Brasles (östl.
von Chateau-Thierry) für die Nacht zum 20. Juli. General Ludendorff
war mit dieser Maßnahme einverstanden, sofern sich die Lage bei der Gruppe
Winckler nicht wieder festige. Da das der Fall war, unterblieb das Aus-
weichen, doch wurde wegen des tiefen Einbruchs bei der Gruppe Watter die
vorspringende Front der Gruppen Winckler und Schoeler in die allge-
meine Linie Billy—Höhen östlich von Courchamps' zurückgenommen,
in welche die Truppen ohnehin schon an mehreren Stellen ausgewichen
waren.
Für die etwa notwendig werdende Zurücknahme der gesamten Front
der 7. Armee hatte die Heeresgruppe um 4° nachmittags die Erkun-
dung rückwärtiger Stellungen angeordnet, zugleich aber befohlen, daß
jedes freiwillige Räumen von Stellungsteilen nach wie vor ihrer Ge-
nehmigung bedürfe; die augenblicklichen vordersten Stellungen seien zu
halten.
Das entsprach durchaus der Auffassung der Obersten Heeres-
leitung. Angesichts der ernsten Lage bei der 9. Armee^) wollte General-
feldmarschall von Hindenburg keine Truppen mehr in den sich bildenden
Sack hineinschieben, sondern unter Einsatz aller verfügbaren Kräfte, ein-
schließlich der in Flandern frei zu machenden, „den feindlichen Einbruch von
Norden her über die Aisne bei Soissons flankierend fassen, um den Gegner
dadurch zu zermalmen"^. General Ludendorff lehnte diesen Gedanken
aber als zur Zeit unausführbar entschieden ab, vor allem wohl, da der
1) Obst, von Mertz zeichnete schon am 13. Juli 1913 auf: Die 9. Armee schien „ziem-
Uch zu verzweifeln".
2) Gen. Feldm. von Hindenburg: „Aus meinem Leben", <3.349f., sowie Aufzeichnung
des Obst, von Mertz vom 19. Fuli 1918 nebst späteren Ergänzungen; danach ist der Gen.-
Feldm. auf diesen Plan abends nochmals zurückgekommen.