Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (9, Die Neueste Geschichte / 1929)

§ 20. Die literarische Renaissance 
von Padua, hatte der in der Atmosphäre der Ideen der „ersten Eman 
zipation“ aufgewachsene Luzzato schon in früher Jugend den Druck 
der österreichischen Reaktion zu spüren bekommen. In seiner nächsten 
Umgebung sah er sich auf der einen Seite den jungen Trieben der 
nivellierenden Assimilation, auf der anderen den Überresten der un 
verdünnt erhaltenen jüdischen Kultur gegenüber, die einst der Ruh 
mestitel der italienischen Judenheit gewesen war. So reifte in seinem 
Inneren ein mächtiger Protest gegen jene Geistesströmung heran, de 
ren Vertreter, im Restreben, die Judenheit zu europäisieren, ihren 
geschichtlichen Eigenwert herabzusetzen suchten. Demgegenüber schuf 
Luzzato die von ihm bis in ihre äußersten Konsequenzen verfolgte 
Theorie von dem die ganze Weltgeschichte bestimmenden Gegensatz 
zwischen Judaismus und Hellenismus oder nach seiner eigenen Ter 
minologie zwischen dem „Abrahamismus“ und „Attizismus“. Das emo 
tional-sittliche Grundelement des Judaismus, dem der Zeiten Wandel 
nichts anzuhaben vermöge, könne, wie er ausführte, mit dem haltlos 
schwankenden intellektuell-ästhetischen Grundelement des Hellenismus 
nie in Einklang gebracht werden. Die rätselhaft scheinende Ewigkeit 
des jüdischen Volkes gehe letzten Endes auf diese ewige Gültigkeit 
der ethischen Grundwahrheiten des Judentums zurück; Verderben 
drohe dem Volke, wenn sein Geist den verschlungenen Pfaden der in 
den neuzeitlichen Rationalismus mündenden hellenischen Klügeleien 
folge. Dies war der Wertmaßstab, den Luzzato an die ganze jüdische 
Geschichte anlegte: während er für Rationalisten wie Maimonides und 
Abraham ihn Esra, die das seinen eigenen historischen Weg gehende 
jüdische Volk auf die Heerstraße des Universalismus hinauszuführen 
versucht hatten, nur wenig übrig hatte, begeisterte er sich um so mehr 
für die beschwingten Geister etwa von der Art Jehuda Halevis, denen 
es nicht so sehr um die Erweiterung als um die Vertiefung des natio 
nalen Denkens zu tun war. Ein nach innen und nicht nach außen ge 
kehrter Blick — dies war das Ideal Luzzatos. Unverhohlene Verachtung 
brachte er allen jenen namentlich unter den deutschen Reformfreun 
den so reichlich vertretenen Zeitgenossen entgegen, die sich fortwäh 
rend umsahen, um ihre Ansichten an die anspruchsvolle christliche 
Umwelt anzupassen. Seine nationalgeschichtlichen Ideen hat Luzzato, 
im Gegensatz zu dem Rationalisten Krochmal, wenn man von dem 
posthumen kurzen Traktat „Jessode ha’Thora“ absieht, nie systema 
tisch in einem besonderen Werke zur Darstellung gebracht, sondern
	        
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