Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (10, Die Neueste Geschichte / 1929)

§ 27. Das judenfeindliche Rumänien 
261 
denswert war. Am schwersten lasteten auf den Juden die Beschrän 
kungen im Bereiche des Wirtschaftslebens: als „Ausländer“ besaßen 
sie nicht das Recht, außerhalb der Städte Land zu erwerben, erhielten 
kaum Zutritt zu den ehrenvolleren, insbesondere den freien Berufen 
und wurden obendrein wegen der ihnen auf genötigten Vermittlertätig 
keit im Handel sowie ähnlichen wenig geachteten Beschäftigungsarten 
als Schmarotzer beschimpft und durch Repressivmaßnahmen be 
kämpft. 
Die in der Erfindung der Fiktion von den „einheimischen Frem 
den“ bekundete Originalität hinderte die rumänischen Machthaber 
keineswegs daran, in den Einzelheiten der von ihnen angewandten 
antijüdischen Maßnahmen aufs getreueste das russische Entrech 
tungssystem zu kopieren. Fast hatte es den Anschein, daß zwischen 
Petersburg und Bukarest eine diesbezügliche „entente cordiale“ be 
stehe, daß das Ministerium Bratianu bei einem Ignatjew oder Tolstoj 
Erkundigungen darüber einhole, welche drakonischen Gesetze gegen 
die Juden an der Reihe seien, um ähnliche Maßnahmen im eigenen 
Lande zu ergreifen. Besonders kraß trat dies in der Art und Weise 
zutage, in der in Rumänien die dort ebenso wie in Rußland zu einer 
Landplage gewordene Trunksucht „bekämpft“ wurde. Die Not hatte 
nämlich viele rumänische Juden dazu gezwungen, in Stadt und Land 
Schankwirtschaften zu betreiben. Daraufhin war nun, in der Absicht, 
dieses einträgliche, wenn auch wenig ehrenvolle Gewerbe zu einer 
Domäne der Christen zu machen, ein Gesetz erlassen worden, wonach 
Dorfbewohner ohne zu öffentlichen Wahlen berechtigenden Landbe 
sitz, d. h. Juden, keine Spirituosen verkaufen durften. Das ergangene 
Verbot veranlaßte die jüdischen Schankwirte, ihre Wirtshäuser in be 
nachbarte, von ihren bäuerlichen Stammgästen häufig besuchte Flek- 
ken zu verlegen, doch beeilte sich die Regierung zu erläutern (Rund 
erlaß von 1881), daß in den zu einem Landkreis gehörenden Flek- 
ken für das Schankgewerbe die gleichen Bestimmungen gelten wie in 
den Dörfern, wodurch viele Tausende von jüdischen Familien mit 
einem Schlage um ihre Erwerbsquelle gebracht wurden. Darüber hin 
aus wurden die Juden von dem in Staatsregie genommenen Tabak 
vertrieb und Drogenhandel ausgeschlossen, durften keine Apotheken 
verwalten und sich nicht als Börsenmakler betätigen. Die jüdischen 
Kaufleute, die die Mehrheit der rumänischen Kaufmannschaft bil 
deten, besaßen nicht das Recht, zu den Handelskammern zu wählen,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.