Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

Das neue Zentrum in Rußland 
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zu tagen begann, bei Alexander I. vorstellig, daß es notwendig sei, 
„den Juden die Frist für die Übersiedlung aus den Dörfern in die 
Städte zu verlängern und andererseits diese Nation vor den Absichten 
der französischen Regierung zu warnen“. Der Zar stimmte dem Vor 
schlag zu, und es wurde unverzüglich ein Sonderkomitee zur Be 
ratung über die Anwendung des Statuts von i8o4 eingesetzt. Ferner 
erhielt der Senator Alexejew den Auftrag, die westlichen Gouverne 
ments zu bereisen und an Ort und Stelle in Erfahrung zu bringen, ob 
die angedrohte Ausweisung angesichts der „militärischen Lage, des 
gegenwärtigen Zustands der Grenzgouvernements sowie der den Ju 
den im Falle ihrer zwangsmäßigen Übersiedlung drohenden Ver 
armung“ überhaupt durchführbar sei (i5. Februar). Gleichzeitig 
schrieb aber der Minister den Behörden der westlichen Gouvernements 
durch einen Runderlaß vor, darüber zu wachen, daß die russischen 
Juden keinerlei Beziehungen zu dem Pariser Synhedrion unterhielten, 
durch dessen Vermittlung die französische Regierung die Judenheit 
politisch zu «beeinflussen suche. Der an die Gouverneure gerichtete Er 
laß gab diesen unter anderem den grotesken Rat, die Juden darüber 
aufzuklären, daß das Pariser Synhedrion schon deswegen keiner Sym 
pathien wert sei, weil es eine Umgestaltung der jüdischen Religion 
anstrebe. Auch der „Heiligste Synod“ blieb nicht untätig und forderte 
seinerseits die Geistlichkeit durch Runderlasse auf, den Gläubigen 
einzuschärfen, daß Napoleon ein Feind der Kirche und ein Freund 
der Juden sei. „Zur größeren Schmach der Kirche Christi — so ver 
kündete der Synod — ließ er (Napoleon) in Frankreich die Juden 
synagogen zusammentreten und stellte das große Synhedrion der Ju 
den wieder her, dieselbige ruchlose Versammlung, die sich einst er 
kühnt hatte, unseren Herrn und Heiland Jesus Christus zum Kreuzes 
tode zu verurteilen, und nun darauf aus ist, die durch den Zorn Got 
tes über das Angesicht der ganzen Erde verstreuten Judäer wieder zu 
vereinigen, um sie zum Umsturz der Kirche Christi und zur Aus 
rufung eines falschen Messias in der Person Napoleons zu bewegen“. 
Während also die Gouverneure den Juden einreden sollten, daß das 
Synhedrion dem Judentum zum Verhängnis werden würde, suchten 
die kirchlichen Behörden die rechtgläubigen Christen durch die Be 
hauptung zu verhetzen, daß das Napoleonische Synhedrion dazu ge 
schaffen sei, das Judentum wiederherzustellen.
	        
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