Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

Das neue Zentrum in Rußland 
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die Einrichtung der Juden“ (9. Dezember i8o4) aufgenommen 
wurden. 
Diese Urkunde, eine bunte Aufeinanderfolge von „Freiheiten“ und 
Beschränkungen, soll dem Zaren, wie es in der Einleitung hieß, „von 
der Sorge um das wahre Wohl der Juden“ sowie „um den Nutzen 
der alteingesessenen Einwohner jener Gouvernements“ diktiert wor 
den sein, „in denen diese Leute (die Juden) wohnen dürfen“. Durch 
den Schlußteil des Einleitungsatzes war der Frage des Ansiedlungs 
rayons bereits präjudiziert worden. Die Juden mußten nach wie vor 
mit dreizehn Gouvernements vorlieb nehmen: mit den fünf litauisch 
weißrussischen, den fünf ukrainischen bzw. kleinrussischen und den 
drei neurussischen. Eine Erweiterung dieses Siedlungsgebietes wurde 
lediglich der noch nicht vorhandenen Klasse der jüdischen Acker 
bauern in Aussicht gestellt, für die zwei weitere Gouvernements im 
östlichen Rußland freigegeben werden sollten: das von Astrachan und 
das kaukasische. Das Gesetz führte nämlich im Bereiche der wirt 
schaftlichen Tätigkeit der Juden einen strengen Unterschied zwischen 
zwei Gruppen von Berufen durch: während die Landpacht und das 
Schankgewerbe ohne Nachsicht ausgerottet werden sollten, sollten 
Ackerbau und Industrie in jeder Weise gefördert werden. Gegen die 
erste Gruppe von Erwerbsarten richtete sich der härteste (34.) Ar 
tikel des Gesetzes von i8o4: „Vom 1. Januar 1808 ab — so lautete 
dieser Artikel — darf sich kein Jude weder in den größeren noch in 
den kleineren Dörfern mit irgendeiner Art von Pacht befassen sowie, 
sei es unter eigenem oder fremdem Namen, Schenken, Wirtshäuser und 
Gasthöfe betreiben, ja sich dort überhaupt auch nur aufhalten“. So 
wurde den Juden mit einem Federstrich eine Erwerbsquelle genom 
men, die, wiewohl durchaus nicht ehrenvoll, fast die Hälfte der jü 
dischen Bevölkerung ernährte, wobei sich zugleich das den Juden vor 
behaltene Siedlungsgebiet, aus dem nunmehr das gesamte flache Land 
gleichsam herausgeschnitten wurde, in spärlich verstreute städtische 
Siedlungspunkte auflöste. 
Diese Scharte der wirtschaftlichen und rechtlichen Benachteiligung 
sollte durch die Vergünstigungen ausgewetzt werden, die das Statut 
von i8o4 den sich für den Ackerbau entscheidenden Juden gewährte: 
es wurde ihnen das Recht verliehen, in den westlichen und südlichen 
Gouvernements brachliegendes Land zu erwerben oder sich auf Staats 
ländereien anzusiedeln, in welch letzterem Falle jeder Siedler eine be
	        
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