Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

Einleitung 
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wohl der katholische Kaiser Joseph II., der Urheber des 1782 ergan 
genen „Toleranz-Patentes“ (Band VII, § 44), den Juden zweifelsohne 
mehr gewogen war als der „schlechte Protestant“ auf dem preußi 
schen Throne, Friedrich II., so stimmten doch die beiden Vertreter des 
aufgeklärten Absolutismus in der allgemeinen Beurteilung ihrer jüdi 
schen Untertanen grundsätzlich überein. Wenn der Preußenkönig die 
Juden unter das Joch der Rechtlosigkeit beugte, der Kaiser ihnen 
hingegen gegen Verzichtleistung auf nationale Eigenart Duldsamkeit 
verhieß, so hatte dies seinen Grund darin, daß jenem die Juden als 
„unverbesserlich“ galten, während dieser mit der Möglichkeit rech 
nete, sie für den Staat „nützlich“ zu machen. Daher war auch das 
österreichische „Besserungs“-System für die Juden nicht weniger 
drückend als der engstirnige Judenhaß der preußischen Regierung. 
Durch aufgezwungene Kulturreformen konnte Joseph II. die geistige 
Erneuerung der jüdischen Massen, namentlich in Provinzen wie Böh 
men, Mähren und in dem kurz zuvor von Polen losgetrennten Ga 
lizien, unmöglich in Schwung bringen. Den Machthabern gebrach es 
eben damals noch an der Erkenntnis, daß Reformen ajlein in der 
Atmosphäre der politischen Freiheit, nicht aber in der stickigen Luft 
des Polizeistaates gedeihen können. 
In der Reichshauptstadt Wien blieb das Regime der Unduldsam 
keit auch nach der Veröffentlichung des „Duldsamkeits“-Patents un 
geschmälert in Kraft. Als die Wiener Juden im Jahre 1784 den Plan 
faßten, eine Synagoge zu erbauen und einen Rabbiner zu wählen, sprach 
sich die Regierung von Niederösterreich mit aller Entschiedenheit gegen 
die Erteilung einer dahingehenden Genehmigung aus, worauf auch 
die Hofkanzlei ohne Säumen erklärte, daß sie nicht im entferntesten 
an derlei Zugeständnisse denke. Ebensowenig Erfolg hatte die im 
Januar 1789 dem Kaiser im Namen der in Wien „tolerierten“ Ju 
den überreichte Eingabe, in der sie darum nachsuchten, einige Ver 
treter ernennen zu dürfen, die die Durchführung der von der Re 
gierung verfügten Maßnahmen überwachen und nötigenfalls im Inter 
esse ihrer Stammesgenossen Fürsprache einlegen sollten. Umsoschär- 
Gradisca 426, während es in Steiermark und in Kärnten überhaupt keine Juden 
gab (vgl. G. Wolf, Die Juden, in der Reihe „Die Völker Österreich-Ungarns“, 
Bd. VII. Wien i883, S. 47—51). Da überdies Ungarn eine jüdische Bevölkerung 
von etwa 80 000 Seelen beherbergte, so ergibt sich für die Habsburgische Mon 
archie nach den Angaben der allerdings recht unvollkommenen zeitgenössischen 
Statistik eine Gesamtzahl von 361 874 Juden.
	        
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