Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

§ 2. Die Rechtlosigkeit und die Aufklärung in Deutschland 
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mußte er seinen Hut abziehen; durch diese höfliche Aufmerksamkeit 
sollte die Liebe zwischen beiden Religionsparteien befestigt werden. 
Mehrere Straßen der Stadt, die ein schlechtes unbequemes Pflaster 
hatten, durften sie niemals betreten“. 
Den Ghettobewohnern war es verboten, sich während des Durch 
zugs von Prozessionen und bei öffentlichen Feierlichkeiten jeglicher 
Art auf den Straßen zu zeigen. Im Jahre 1790, am Tage der Krönung 
Kaiser Leopolds II., erwies die Stadtkanzlei einigen Juden die Gnade, 
ihnen Passierscheine folgenden Inhalts auszustellen: „Vorzeiger die 
ses .. . kann auf bevorstehenden Krönungstag aus der Judengasse in 
die Stadt gelassen werden, um in einem Hause oder auf einem Gerüste, 
nicht aber auf der Straße, die Feierlichkeiten sehen zu können“. 
Mit Frankfurt verglichen, konnte die freie Handelsstadt Ham 
burg beinahe als fortschrittlich gelten. Die vereinigte jüdische Ge 
meinde Hamburg-Altona zählte etwa 9000 Personen als Mitglieder. 
Der wohlhabendere Teil der jüdischen Bevölkerung spielte im Wirt 
schaftsleben der freien Hansestadt eine wichtige Rolle: „Um den 
hochgestiegenen Flor der Handlung — berichtet ein Zeitgenosse — 
haben die Juden (von Hamburg) kein geringes Verdienst; sie sind’s, 
welche ursprünglich und bis diese Stunde die eigentlichen Wechsel- 
und Bankier-Geschäfte in Aufnahme gebracht haben und in ihrem 
Gange erhalten. Sie entziehen sich keinen Bürgerlasten und keinen 
Bürgerpflichten, die ihnen auszuüben verstattet werden“ . . . Und 
doch darf „selbst der wohlhabende, durch die ansehnlichsten Geschäfte 
und persönlichen Charakter geachtete jüdische Kaufmann nicht in 
jenem Revier der Stadt wohnen, wo er Raum findet. Er darf keine 
Profession oder bürgerliche Gewalt treiben, ist bloß zum Handeln 
verurteilt, unter wirklich nachteiligen Beschränkungen; denn er darf 
keinen offenen Laden halten, muß abwarten, bis Käufer, von keinem 
ankündigenden Zeichen eingeladen, ihn mühsam aufsuchen, bloß an 
gelockt durch wohlfeilere Preise, worin er gezwungen ist, es christ 
lichen Kaufleuten zuvorzutun, sich mit minderen Vorteilen zu be 
gnügen, wenn er Absatz haben will . . . Das Verhältnis des Juden 
gegen den Christen gleicht dem zweier Zugtiere, die, nebeneinander 
gespannt, gleichen Strang ziehen, den Unterschied nur dann finden, 
wenn es auf die Nahrung ankommt, da das eine den Hafer erhält, den 
beide verdient haben, das andere die Erlaubnis, neben dem Acker sich 
Disteln zu suchen“.
	        
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