Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

Der Emanzipations- und Kulturkampf in Deutschland 
jüdischen Gemeinden, insbesondere auf die seines persönlichen Freun 
des David Friedländer, faßte Hardenberg den Beschluß, an Stelle des 
Schrötterschen ein neues Emanzipationsprojekt ausarbeiten zu lassen, 
und betraute mit dieser Aufgabe seinen Untergebenen Raumer. Der 
von diesem entworfene Reformplan war denn auch in liberalem Geiste 
gehalten, doch stieß er auf die entschiedene Gegnerschaft des konser 
vativen Justizministers Kircheisen, der sowohl gegen die Reform im 
ganzen als auch gegen ihre Einzelheiten allerlei Bedenken laut werden 
ließ. Zwar gab dieser Hüter des Rechts anstandslos zu, daß die für 
die Juden geltenden Gesetze allzu hart seien und einer Milderung be 
dürften, meinte aber zugleich, daß die das deutsche Volk vor der ge 
fährlichen Eigenart der jüdischen Nation schützenden Rechtsbeschrän 
kungen nicht von heute auf morgen, sondern nur nach und nach, mit 
der fortschreitenden Vervollkommnung der Juden und der Besserung 
ihres Charakters aufgehoben werden könnten. Auch die Mischehen 
schienen dem Minister nichts weniger als verheißungsvoll zu sein, da 
die jüdische Partei in einem solchen Bunde religiös indifferent und' 
also moralisch minderwertig sein müßte. Am schärfsten trat Kirch- 
eisen dem Vorhaben entgegen, die Juden zu den Staatsämtern zu 
zulassen, indem er sogar den Antrag stellte, in das Gesetz eine un 
zweideutige Erklärung aufzunehmen, daß eine solche Vergünstigung 
auch für die Zukunft nicht in Aussicht genommen sei, da ja sonst, 
wie er ausführte, schon nach einigen Jahren alle Ministerien samt 
und sonders von einem ganzen Heer akademisch gebildeter jüdischer 
Amtsanwärter belagert sein würden. 
Zu Beginn des Jahres 1811 trat nun das Hardenberg-Raumersche 
Reformprojekt die Wanderung durch die Kanzleiämter der Ministe 
rien an. Die Ministerialbeamten versäumten nicht, dem Entwurf aller 
lei Zusätze und Abänderungsanträge anzufügen. So wurde beantragt, 
im amtlichen Schriftwechsel statt des „verächtlich“ klingenden Wortes 
„Juden“ die Bezeichnung „Israeliten“ oder „mosaische Glaubens 
genossen“ zu gebrauchen, ferner jüdische Sonderschulen grundsätz 
lich zu untersagen, und zwar mit der Begründung, daß allein die 
Ausbildung der jüdischen Kinder in den allgemeinen deutschen Lehr 
anstalten zu ihrer „völligen Amalgamierung mit den übrigen Staats 
bürgern“ führen könne, sowie die Handelstätigkeit der Juden nach 
Möglichkeit einzuschränken und sie zur Beschäftigung mit Handwerk 
und Landwirtschaft anzuhalten. Das Reformprojekt wurde auch
	        
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