Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

§ 29. Die Zeit der Napoleonischen Kriege (bis 1806) 
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Frankreich die von ihm am linken Rheinufer und in Oberitalien ge 
machten Eroberungen formell zuerkennen sollte, wurden zwei Denk 
schriften zur jüdischen Frage unterbreitet, die sich in erster Linie an 
die die deutschen Länder und Österreich repräsentierenden Delegierten 
wandten. Der anonyme Verfasser einer dieser im Drucke erschienenen 
Denkschriften 1 ) suchte die Mitglieder des Kongresses davon zu über 
zeugen, daß das jüdische Volk treu und arbeitswillig sei, daß es aber 
einem es unterjochenden Staate nicht mit ganzer Seele ergeben sein 
könne, weshalb man ihm schleunigst das Menschenrecht zurückgeben 
sollte. Des weiteren verwies er den Landesvater von Preußen sowie die 
übrigen deutschen Fürsten auf das von Kaiser Joseph II. gegebene 
rühmliche Beispiel: es gelte, meinte der Verfasser, die Juden vom 
Handel, der jede edle Nation verderben müsse und nur Engländer zu 
züchten vermöge (eine Konzession an den damals herrschenden Eng 
länderhaß), soviel wie möglich abzulenken, um sie statt dessen für 
die Landwirtschaft zu gewinnen,, ferner für ihre Kinder deutsche 
Schulen zu gründen, um dadurch ihre nicht zuletzt in dem wider 
wärtigen Jargon wurzelnde Abgeschlossenheit zu beseitigen, worauf 
hin alle gegen die Juden gehegten Vorurteile von selbst verschwinden 
müßten. In der zweiten Denkschrift trat als Anwalt des Judentums 
der deutsche Rechtsgelehrte Christian Grund auf den Plan * 2 ). Die 
Stimme der Verfechter der Gleichberechtigung sollte indessen in dem 
Lärm des Rastatter Kongresses, dem bald erneut ein Krieg zwischen 
Österreich und Frankreich folgte, spurlos verhallen. 
Als zu Beginn des Jahres 1801 die Vertreter der Festlandsmächte 
sich in Luneville wieder an den Verhandlungstisch gesetzt hatten, ging 
auch diesem Kongreß ein Aufruf von jüdischer Seite zu. Sein Ver 
fasser war der bekannte französische Advokat Michael Berr, hinter 
dem wohl die Judenheit des linken Rheinufers, aber auch die mit 
ihr eng verbundene Frankfurter Gemeinde stand. Der Appell galt 
„dem Gerechtigkeitsgefühl der Völker und Könige“ („Appel ä la 
justice des nations et des rois ou adresse d’un citoyen frangais au 
Congres de Luneville“, 1801). Ein Sohn des Isaak Berr, des Führers 
im Kampfe für die Emanzipation der Juden in Frankreich, war 
D „Apologie für die unterdrückte Judenschaft in Deutschland, an den Kon 
greß yoii Rastatt gerichtet“ (1798). 
2 ) „Ist eine bürgerliche Gleichstellung der Juden in Deutschland dem Recht 
und der Klugheit gemäß?“ (Regensburg, 1798).
	        
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