Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

§ 27. Die Reformprojekte in Preußen 
Früchte der Arbeit jenes Sonderausschusses zur Reife gelangt, der 
von Friedrich Wilhelm II. zur Milderung mancher Härten der für die 
Juden geltenden Reglements eingesetzt worden war (oben, § 2). Die 
in Berlin versammelten „Generaldeputierten“ der jüdischen Gemein 
den mit David Friedländer an der Spitze setzten auf die Ergebnisse 
dieser Arbeit nicht geringe Hoffnungen. Hatten sie doch in ihrem 
der Regierung unterbreiteten „Promemoria“ die erniedrigende Lage 
der „geduldeten“ und der „Schutz“-Juden, das Elend der in ihrer 
Freizügigkeit und in der Berufswahl eingeschränkten Massen sowie 
die Bedrängnis der zur solidarischen Haftung für die Vergehen der 
einzelnen Mitglieder verpflichteten Gemeinden so eingehend und in 
so rührender Weise geschildert, hatten sie doch so flehentlich darum 
nachgesucht, ihre Auftraggeber des preußischen Staatsbürgerrechts 
teilhaftig werden zu lassen und deren Kindern nicht allein Aufnahme 
in die Staatsschulen, sondern auch in die Armee gewähren zu wollen I 
Nach einer gründlichen, sich über zwei Jahre hinziehenden Beratung 
beantwortete nun die Regierung die Bittschrift mit einem von der 
Königlichen Kommission ausgearbeiteten und vom Generaldirektorium 
stark beschnittenen „Reform“-Entwurf. Die Vorlage ließ die „Grund 
gesetze“ des bestehenden Reglements und die in ihm durchgeführte 
Einteilung der Juden in „geschützte“ und „geduldete“ völlig unan 
getastet, brachte aber die folgenden eigenartigen Erleichterungen in 
Vorschlag: weitergehende Handelsfreiheit wollte sie allein den Groß 
kaufleuten zuerkannt wissen (in den Großstädten solchen, die über 
ein Vermögen im Werte von mindestens i5 000, in den Mittelstädten 
von 5ooo, in den kleineren Orten von nicht unter iöoo Talern ver 
fügten), jedoch auch dies nur in dem Falle, wenn in der betreffenden 
Gegend nicht genügend christliche Kaufleute tätig sein sollten; von 
den Handwerken sollten den Juden, die Zustimmung der Zünfte vor 
ausgesetzt, nur die nebensächlicheren zugänglich gemacht werden, 
nicht aber die am meisten verbreiteten, wie etwa das des Zimmer 
mannes, Tischlers, Schusters, Schneiders u. dgl.; mit Ackerbau durf 
ten sie sich nach dem Entwürfe nur auf Neuland befassen, das sich 
nicht in Privatbesitz befand; ferner sollte die solidarische Haftung der 
Gemeinden für die Steuerschulden ihrer einzelnen Mitglieder in Kraft 
bleiben, ebenso wie die meisten auf diesen lastenden Sondersteuern 
selbst. Neu war die Forderung des Entwurfs, daß sich die Juden im 
öffentlichen Leben ausschließlich der deutschen Sprache bedienen und 
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