Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

Die Emanzipation in den Ländern französischer Herrschaft 
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ins Land kommen, um einen von Bonaparte erneut ins Auge gefaßten 
Staatsstreich zu ermöglichen. 
Die „Mediationsakte“ von i8o3 brachte die Helvetische Republik 
einerseits in größere Abhängigkeit von Frankreich, gab ihr aber an 
dererseits die alte föderative Verfassung wieder: jeder der Kantone 
erfreute sich von neuem in der inneren Verwaltung uneingeschränkter 
Autonomie. So sahen sich denn auch die Juden erneut unter der un 
mittelbaren Gewalt des Kantons Aargau, dessen Herrschaftsbereich 
ihren Ansiedlungsrayon umschloß. Desungeachtet wandten sie sich 
noch im selben Jahre an den Bundesrat der Konföderation mit der 
Bitte, ihnen die gleichen Rechte wie der christlichen Bevölkerung ein 
zuräumen, wobei sie einen mächtigen Fürsprecher in der Person des 
französischen Marschalls Ney fanden. Als jedoch der Bundesrat ihre 
Petition zur Weiterveranlassung der Regierung des Kantons Aargau 
übersandte, erhielt er die Antwort, daß nach der neuen Verfassung 
eine Einmischung der Zentralregierung in die inneren Angelegen 
heiten der einzelnen Kantone von diesen nicht geduldet zu werden 
brauche. Daraufhin arbeitete die Kantonalregierung ihrerseits einen 
Plan zur Verbesserung der Lage der Juden aus, den sie dem Kantonal 
rat zur Beratung vorlegte; doch erschien diesem selbst der überaus 
gemäßigte Vorschlag, die mindestens seit sechsundzwanzig Jahren im 
Kanton Aargau ansässigen Juden als Vollbürger anzuerkennen, als 
zu weitgehend (i8o5). Nach langen Vorbereitungen wurde schließlich 
eine neue Gesetzesvorlage ausgearbeitet, die dem liberalen Zeitgeist 
in so geringem Maße Rechnung trug, daß ihr selbst der Kantonalrat 
seine Zustimmung nicht versagen konnte (5. Mai 1809). Dem neu 
ergangenen Gesetze zufolge hatten die Juden, wie sich ein schweize 
rischer Geschichtsschreiber ausdrückt, „die Pflichten, aber nicht die 
Rechte der Kantonsbürger“. Der Ansiedlungsrayon wurde beibehalten, 
und die eine Neuerung bestand nur darin, daß das Gesetz denjenigen 
Juden, die in der Lage sein würden, ein Attest über einwandfreien 
Lebenswandel, besondere Kenntnisse und Gewerbefleiß vorzulegen, 
großmütigerweise das Niederlassungsrecht auch in den anderen Ge 
meinden des Kantons (außerhalb Endingens und Lengnaus) zuerkannte. 
Die Beibringung solcher Zeugnisse war indessen für Menschen, die 
die Regierung in ihrer Freizügigkeit und in der Berufswahl nach wie 
vor beschränkte, ein Ding der Unmöglichkeit. Der einzige Beruf, den 
die Juden unbehindert ausüben durften, war der Hausierhandel: jeden
	        
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