Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (8, Die Neueste Geschichte ; 1928)

§ 24. Die Batavische Republik und das Königreich Holland 
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liehen Zeremonie der Pflanzung eines „Freiheitsbaumes“ vor dem 
Rathause. 
Indessen stand die Amsterdamer Judenheit der sich vollziehenden 
Umwälzung keineswegs einmütig gegenüber. Während diese von der 
freisinnigen Minderheit als ein glückverheißendes Ereignis begrüßt 
wurde, witterte die orthodoxe Mehrheit in ihr den Keim der Zer 
setzung des Judentums als nationaler Einheit. Die Konservativen zwei 
felten nicht daran, daß mit dem Eintritt der Juden in die bürgerliche 
Gesellschaft und mit ihrer Eingliederung in die verschiedenen sich 
neu bildenden Berufsstände die altüberkommene, nicht allein ihr reli 
giöses Leben, sondern auch ihre sozialen Verhältnisse regelnde Ge 
meindeautonomie unweigerlich der Vernichtung anheimfallen würde; 
mit dem Verschwinden der jüdischen Gerichtsbarkeit, der jüdischen 
Schule, der Umgangssprachen der Aschkenasim und Sephardim (der 
deutschen und spanisch-portugiesischen Mundart) würde unter der 
Einwirkung des überhandnehmenden französischen Unglaubens auch 
die religiöse Zucht eine starke Lockerung erfahren. Zu den der All 
gemeinheit geltenden Sorgen gesellten sich ferner rein persönliche 
Interessen: die allmächtigen „Parnassim“, die Ältesten und Rabbiner 
der Aschkenasim- und Sephardimgemeinde, vermochten sich eben mit 
der voraussichtlichen Schmälerung ihrer Gewalt, mit der zu erwarten 
den Abschaffung jener alten Statute, die ihnen eine rechtliche 
Handhabe boten, innerhalb der jüdischen Bevölkerung gleichsam die 
Rolle einer Regierung zu spielen, nur schwer abzufinden. Darum kann 
es auch nicht Wunder nehmen, daß der von den liberalen Mitgliedern 
der Amsterdamer Gemeinde ausgehende Antrag, die republikanische 
Deklaration der Rechte in den Synagogen zur allgemeinen Kenntnis 
zu bringen, bei den Parnassim auf entschiedensten Widerspruch stieß. 
Schwer beunruhigt, standen diese nicht an, eine bald mit vielen Unter 
schriften bedeckte Erklärung zirkulieren zu lassen, in der die Behaup 
tung auf gestellt wurde, daß die Verkündung der republikanischen De 
klaration in den Andachtsversammlungen den Geboten der jüdischen 
Religion zuwiderlaufe. Hierauf ließen die Liberalen ihrerseits in den 
Synagogen und Bethäusern gegen die Handlungsweise der Machthaber 
protestierende Flugblätter anschlagen, die jedoch auf Befehl der Par 
nassim unverzüglich wieder entfernt wurden. 
So war es innerhalb der holländischen Judenheit zu einer Spal 
tung gerade in dem Augenbliok gekommen, als angesichts der bereits
	        
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