Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Das französische Zentrum und die englische Kolonie 
ermahnt wurden, ,schneller und erfolgreicher‘ zu arbeiten . . . Die 
Archive der alten Rechnungskammer enthalten viele von diesen Be 
amten zusammengestellte Register und Berichte; auch haben sich 
viele Gerichtsprotokolle erhalten, aus denen zu ersehen ist, daß 
manche jüdische Häuser, Gärten, Schulen und Friedhöfe zu sehr 
hohen Preisen verkauft wurden. So erstanden die Konsuln (die Mit 
glieder des Stadtmagistrats) von Narbonne für 860 Livres die be 
rühmte ,Cortada.‘, die Residenz des Kalonyinidengeschlechts, dessen 
Haupt der jüdischen Gemeinde als Fürst (,Nassi.‘) vorstandi Im gan 
zen wurde in der Landvogtei von Toulouse aus der Versteigerung 
jüdischen Besitzes die Summe von 76 264 Livres vereinnahmt“. 
Als einen Rechtfertigungsgrund für die Ausplünderung der Juden 
pflegte Philipp der Schöne die Tatsache anzuführen, daß viele von 
ihnen das schädliche Kreditgeschäft betrieben, was ihn jedoch 
nicht daran hinderte, nach ihrer Vertreibung die ihnen von den 
Christen geschuldeten Summen zu seinen eigenen Gunsten mit größter 
Härte einzutreiben, allerdings unter Verzicht auf die fälligen Zinsen. 
Diejenigen Schuldner, deren Schuldbriefe unter den Papieren der 
Verbannten nicht vorgefunden worden waren, mußten den könig 
lichen Kommissaren über den geschuldeten Betrag selbst Mitteilung 
machen; wer nicht aus freien Stücken erschien, wurde auf Grund der 
bei den Juden beschlagnahmten Rechnungsbücher von Amts wegen 
vorgeladen. Durch solche Zwangsmaßnahmen gelang es dem König, 
auch verjährte und umstrittene Schuldposten zu Geld zu machen, so 
daß er sich als ein bei weitem grausamerer Gläubiger erwies denn die 
von ihm vertriebenen „Wucherer“. Traten hingegen Christen als Gläu 
biger der Juden hervor, um von den königlichen Beamten die Be 
gleichung der Schuld aus dem Erlös des bei den Juden eingezogenen 
Gutes zu verlangen, so wurden sie in brutalster Weise abgewiesen: der 
König dachte nicht im entferntesten daran, seinen eigenen Verpflich 
tungen nachzukommen. Auch die durch die Ausweisungen der Juden 
aus den seigneurialen Besitzungen ihrer Einkünfte beraubten Feudal 
herren erhoben lauten Anspruch auf einen Teil der „jüdischen Beute“. 
Die königlichen Kommissare bestritten zwar diese Ansprüche nicht, 
schoben aber deren Befriedigung immer wieder hinaus, um so die 
Seigneurs zu Konzessionen zu zwingen. Und in der Tat gaben sich alle 
der Entscheidung ungeduldig harrenden Lehensherren schließlich mit 
einem Drittel und zuweilen mit einem noch geringeren Bruchteil der
	        
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