Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Zur Quellenkunde und Methodologie 
Der jüdische Geschichtsschreiber, der in seiner Arbeit bis zum späten 
Mittelalter vorgeschritten ist, kann sich nicht mehr, wie bei der Be 
handlung der vorhergehenden Perioden, über die Dürftigkeit der Quel 
len beklagen. Der Quellenstoff ist hier vielmehr für einige Problem 
gebiete so ergiebig, daß er nur in speziellen Monographien, nicht aber in 
einem auf zusammenfassende Synthese ausgehenden Werke voll erschöpft 
werden kann. Schwierigkeiten entstehen in diesem Zusammenhänge ledig 
lich infolge der Ungleichmäßigkeit oder Einseitigkeit des durch das publi 
zierte Quellenmaterial verbreiteten Lichtes. Während gewisse Momente in 
ihm mehr oder weniger klar zutage treten, bleiben hingegen andere ganz im 
Schatten. Auffallend ist vor allem die äußerste Spärlichkeit der jüdischen 
Quellen im Vergleich zu den nicht jüdischen. Vielen Tausenden von Ur 
kunden aus den Staats- und Stadtarchiven steht eine verschwindend geringe 
Zahl jener Dokumente gegenüber, die aus den schon an und für sich 
sehr seltenen und inhaltsarmen jüdischen Gemeindearchiven stammen 
(unten, Ziffer i). Für die Behandlung der drei Jahrhunderte (XIII.—XV. 
Jahrhundert) umspannenden Zeitperiode bietet uns die jüdische Chrono 
graphie nur zwei zusammenfassende Chroniken („Schebet Jehuda“ und 
„Emek ha’bacha“), die aber auch erst in späterer Zeit entstanden sind, 
und daneben einige wenige auf lokale Verhältnisse oder auf Einzelepisor 
den sich beziehende Aufzeichnungen. Der Historiker sieht sich daher auf 
die durch Konfrontierung mit jüdischen Quellen nicht zu kontrollierenden 
Nachrichten angewiesen, die in den zumeist von kirchlicher Tendenz durch 
drungenen christlichen Chroniken verstreut sind (unten, Ziff. 2). Das 
größte Hemmnis für eine allgemeingeschichtliche Darstellung bildet aber 
die viel zu geringe Zahl von wissenschaftlichen Monographien, die die Ge 
schicke der Juden in den einzelnen Ländern behandeln. Es mag der Hin 
weis genügen, daß uns noch immer umfassende Werke über die Geschichte 
solcher jüdischer Zentren wie Deutschland, Frankreich und Italien fehlen. 
Statt dessen stehen uns nur vereinzelte Monographien über diese oder jene 
Provinz oder Gemeinde zur Verfügung sowie monographische Unter 
suchungen über geschichtliche Einzelprobleme (unten, Ziff. 3 und 4). So 
sieht sich denn der Geschichtsschreiber nach wie vor genötigt, mit seiner 
architektonischen Hauptarbeit immer wieder auszusetzen, um zunächst das
	        
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