Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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§ 67. Ägypten und Palästina 
der Wesir von Maghreb ein. In einer Unterredung mit dem Sultap 
Al-Nassir und dessen Emiren gab er seiner Verwunderung darüber 
Ausdruck, daß Juden wie Christen in Ägypten völlig unbehelligt 
bleiben, in prunkvollen Gewändern auftreten, hoch zu Rosse reiten 
und sogar Staatsämter bekleiden, was ihnen Gewalt über Muselmanen 
verleihe. Der Wesir fügte noch hinzu, daß in Maghreb solche Übeiv 
tretungen des Gesetzes des Omar nicht geduldet würden, und daß die 
Ungläubigen dort in „Schmach und Erniedrigung“ verharrten. Seine 
Worte verfehlten ihren Zweck nicht. Die Emire faßten den Beschluß, 
sich das Beispiel Maghrebs zum Vorbild zu nehmen, „um so dem 
rechten Glauben in Ägypten größeren Glanz zu verleihen“. Hierauf 
wurde in der Medrese von Kairo eine Versammlung der Vertreter 
aller drei Religionen einberufen, in der den Juden und den Christen 
kundgetan wurde, daß man fortan die Ungläubigen zur Unterschei 
dung von den Rechtgläubigen durch besondere Zeichen kenntlich 
machen würde. Der muselmanische Chronist verzeichnet mit Genug 
tuung, daß diese Verordnung sowohl in Kairo wie in der syrischen 
Hauptstadt Damaskus auch in der Tat mit aller Genauigkeit zur Aus 
führung gelangte: „Alle Juden trugen von nun an gelbe Turbane, 
die Christen aber blaue. Bestieg jemand von ihnen ein Roß, so mußte 
er ein Bein unter die Oberschenkel schlagen. Alle im Staatsdienst 
angestellten Andersgläubigen wurden ihrer Ämter enthoben, was 
manche von ihnen dazu bewog, sich zum Islam zu bekehren. Es wur 
den Befehle verlautbart, denen zufolge die Häuser von Christen und 
Juden die ihrer muselmanischen Nachbarn nicht überragen durften“. 
In Damaskus wurde darüber hinaus noch eine besondere Farbe der 
Kopfbedeckung für die dritte Gruppe von Andersgläubigen, für die 
Samaritaner festgesetzt, die einen roten Turban zu tragen hatten. Von 
der Buntheit der Kainszeichen auf den Häuptern der Andersgläubigen 
berauscht, ruft der farbenfreudige muselmanische Schriftsteller voll 
Entzücken aus: „Fürwahr, ein herrlicher Anblick! Gepriesen und ge 
lobt sei der Herr!“ 
Die von dem muselmanischen Fanatiker bekundete, Begeisterung 
zeugt davon, daß das Auge sich nur selten an solchem Anblick wei 
den konnte und daß die farbenreiche Schilderung nur dazu bestimmt 
war, die Zeitgenossen zur Nachahmung anzufeuern. In Wirklichkeit 
mochten solche Anwandlungen muselmanischer Intoleranz im Mame
	        
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