Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 65. Rußland unter der Tatarenherrschaft 
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Krone (i5oi) auch die erst vor kurzem aus Litauen vertriebenen Ju 
den wieder übernehmen mußte. Es hatte wenig Sinn, sie in den über 
völkerten Städten Polens zurückzuhalten, während ihrer die spärlich 
besiedelten Landschaften Litauens harrten. So gestattete denn Alexan 
der, nachdem er mit seinen Ratgebern Rücksprache genommen hatte, 
im Jahre i5o3 den litauischen Juden, in ihre früheren Wohnstätten 
zurückzukehren, wobei ihnen auch ihr gesamter Altbesitz an Häusern, 
Landgütern, Synagogen und Friedhöfen zurückerstattet wurde. 
Zu Reginn des XVI. Jahrhunderts tritt uns die polnische und li 
tauische Judenheit bereits als eine bedeutende wirtschaftliche und 
soziale Macht entgegen, der die Staatsgewalt wohl oder übel Rech 
nung tragen muß; nachdem sie in ihrer Kultur vier Jahrhunderte 
lang ganz von dem jüdischen Zentrum in Deutschland abhängig war, 
schwingt sie sich nunmehr auch in dieser Beziehung zu einer immer 
größer werdenden Selbständigkeit empor 1 ). 
§ 65. Die Krim und Rußland unter der Tatarenherrschaft 
Seit dem XIII. Jahrhundert, als ganz Rußland für lange Zeit der 
Tatarenherrschaft verfallen war, war in einer winzigen Ecke des 
südrussischen Schwarzmeergebietes, auf jener Krim-Halbinsel, wo 
schon in den ersten Jahrhunderten der christlichen Ära die jüdisch 
hellenistischen Kolonien geblüht, wo später die in Byzanz verfolgten 
Juden ein Asyl gefunden hatten und wo dann das halb jüdische Cha- 
sarenreich festen Fuß zu fassen vermochte, für das kulturelle Leben 
eine Zeit neuer Entfaltung und Blüte angebrochen. Seit dieser Zeit 
ragte die Krimküste des Schwarzen Meeres am Rande des tatarisier- 
ten Osteuropa gleichsam als eine von der Natur selbst begünstigte 
Kulturoase hervor. In denselben Jahren, da Venedig sich die Herr 
schaft über die kleinasiatische Küste und den Archipel sicherte, setzte 
sich seine Rivalin, die Republik von Genua, an der Küste der Krim 
fest, um hier ihre Handelskolonien weiter auszudehnen (oben, § 3i). i) 
i) Das wenige, was uns über das innere Leben der jüdischen Gemeinden 
im Polen des ausgehenden XV. Jahrhunderts überliefert ist, ist unzertrennlich 
mit der Geschichte der „Neuzeit“ verbunden und kommt im folgenden Bande 
dieser „Geschichte“ zur Behandlung. Daß gegen Ende des XV. Jahrhunderts die 
Gemeinden bereits Gelehrte und Schriftsteller unter ihren Mitgliedern zählten, 
beweist das Beispiel des aus Kiew stammenden und nach der Krim übergesiedel 
ten R. Moses ha’Gola (unten, $ 65).
	        
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