Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Osteuropa und der jüdische Orient 
legen vermochten). Unter den beanstandeten Privilegien — schrieb 
ferner der Kardinal — seien Artikel.anzutreffen, „die der christli 
chen Religion zuwider sind“ und die, „wie dies schon der hochwürdige 
Pater Johannes Capistranus auseinandergesetzt hat“, den Namen des 
Königs mit Schimpf und Schmach bedecken würden. Der Brief des 
Oiesnicki klingt in eine von Drohungen begleitete flehentliche Bitte 
aus: „Glaube nicht, daß es dir in Sachen der christlichen Religion 
frei steht, nach Gutdünken zu verfahren. Keiner ist so groß und 
mächtig, daß man sich ihm nicht widersetzen dürfte, wenn der Glaube 
auf dem Spiele steht. So flehe ich denn deine königliche Hoheit an, 
die obenerwähnten Privilegien und Freiheiten zu widerrufen. Zeige, 
daß du ein katholischer Herrscher bist und halte alles fern, was dei 
nem Namen zur Unehre gereichen und zu noch viel verhängnisvolle 
ren Anfechtungen führen könnte“. Kasimir kehrte sich indessen we 
der an die Bitten noch kümmerte er sich um die Drohungen. Erst 
durch eine plötzlich hereingebrochene Katastrophe sah er sich dazu 
veranlaßt, ein rein formelles Zugeständnis zu machen. Polen lag näm 
lich um jene Zeit im Kriege mit dem Deutschen Orden. Die erste Nie 
derlage des polnischen Heeres in diesem Kriege (September i454) 
gab der Geistlichkeit Anlaß, dem Volke einzureden, daß Gott das 
Land wegen der vom König den Kircheninteressen gegenüber be 
kundeten Indolenz heimsuche. Die Schlachta forderte ihrerseits die 
Bestätigung ihrer ständischen Vorrechte und drohte widrigenfalls den 
Kriegsschauplatz zu verlassen. Unter anderem verlangte sie die Er 
neuerung des im Jahre 1420 in Warta angenommenen Statutes, das 
die Rechte der jüdischen Geldgeber auf Grundbesitz einschränkte. Der 
König sah sich nun genötigt, der mit dem Klerus verbundenen 
Schlachtapartei nachzugeben. Im November i454 wurde das Statut 
von Nieszawa veröffentlicht, in dem ein Punkt enthalten war, wonach 
alle den Juden früher eingeräumten Privilegien, soweit sie „dem gött 
lichen Rechte und den Landesstatuten“, d. h. den Kirchenkanons und 
dem Statut von Warta widersprachen, für ungültig erklärt wurden. 
Dieser Artikel der dem König vom Adel und dem Klerus aufgedräng 
ten Verfassung wurde ihm vom Kardinal Oiesnicki unmittelbar in 
die Feder diktiert 1 ). Auf diesen geht zweifellos auch der Zusatz zu- 
U In der in den Kodex von Laski (i5o6) übernommenen Rezension des 
Geschichtsschreibers Dlugosz ist die Einleitung zu diesem Artikel mit Stilblüten 
judenfeindlicher Beredsamkeit geschmückt: „Da die Ungläubigen sich keiner grö-
	        
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