Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 60. Süditalien. Die Vertreibung aus Sizilien 
gatos) verächtlich gemacht werden, wie es hauptsächlich bei den Ju 
den ihren Abtrünnigen gegenüber Brauch gewesen sein soll, wobei 
auf die Übertretung all dieser Verbote schwere Strafen standen. In 
dessen werden diese Vorschriften wohl kaum jemals angewendet wor 
den sein, da sonst der König selbst als erster der Strafe hätte ver 
fallen müssen: ließ er sich doch, nicht anders als der Papst in Rom, 
gern von jüdischen Ärzten behandeln. Auch in der zweiten Hälfte des 
XIV. Jahrhunderts nahmen die Könige keinen Anstand, jüdischen 
Ärzten die Genehmigung zur Ausübung ihres Berufes „in ganz Si 
zilien (per totam Siciliam) zu erteilen. Die Gebieter Siziliens sahen 
sich überhaupt nur zu oft in der Lage, zwischen den Forderungen der 
Kirche und den Interessen des Staates geschickt lavieren zu müssen. 
Soweit das Ansehen der herrschenden Kirche in Frage kam, muß 
ten allerdings der Geistlichkeit gewisse Zugeständnisse gemacht wer 
den: so wurde es den Juden untersagt, die Synagogen in auffälliger 
Weise zu schmücken und ihre Kuppeln höher als die der Kirchen ra 
gen zu lassen, ferner waren sie verpflichtet, den Missionspredigten 
beizuwohnen, wobei sie nicht selten Beleidigungen von seiten der from 
men Kirchenbesucher ausgesetzt waren. Gleichzeitig unterließen es 
jedoch die Könige sowie ihre Statthalter auf der Insel, die Vizekö 
nige, nicht, die Juden im Falle drohender Massenausschreitungen 
kraftvoll in Schutz zu nehmen. Solche Ausschreitungen waren meist 
in der Karwoche an der Tagesordnung, wenn die kirchlichen Vor 
führungen der Passionsgeschichte die Leidenschaften der katholi 
schen Menge bis zum Weißglühen zu erhitzen pflegten. Im Frühjahr 
i339 kam es in der Inselhauptstadt Palermo zu Massenüberfällen 
auf die jüdischen Häuser, worauf König Pedro II. ein Dekret über 
die rücksichtslose Unterdrückung aller künftigen Exzesse solcher Art 
ergehen ließ. 
Besonders scharf hatte die königliche Gewalt die Aufrechterhal 
tung von Ruhe und Ordnung nach den Ereignissen des Jahres i3qi 
zu überwachen, als der Kirchenterror vom Festlande, von Spanien 
her, auch auf Sizilien Übergriff. Schon im Jahre 1392 kam es in 
dem Flecken Monte San-Giuliano zu einer von gewaltsamen Taufen 
begleiteten Judenhetze, wobei sich auch die anderen Städte von der 
Propaganda des Terrors aufs schwerste bedroht sahen. Auf die von 
den jüdischen Gemeinden von Palermo und anderen Orten erhobenen 
Beschwerden hin erließ der Statthalter von Sizilien, Martin, eine Reihe
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.