Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Italien zur Zeit der Frührenaissance 
die Aussagen der Angeklagten ihnen durch die Tortur abgezwungen 
und daß es gerade die wohlhabendsten’ Juden gewesen waren, die zwecks 
Einziehung ihres Vermögens unter Anklage gestellt worden seien. 
Hierauf verlangte der Kommissar, daß der Bischof Hinderbach und 
der Podesta von Trient das gerichtliche Verfahren gegen die noch im 
Kerker schmachtenden und ihrer Hinrichtung entgegensehenden Ju 
den unverzüglich niederschlügen. Hinderbach begegnete jedoch dieser 
Forderung mit einem Rundschreiben, in dem er sich und die In 
quisitoren zu rechtfertigen suchte und Andeutungen über die Be 
stechlichkeit (corrupta inquisitio) des sich für die Juden einsetzen 
den päpstlichen Bevollmächtigten machte. So setzten denn die Henker 
ungeachtet der von dem Kommissar erhobenen Proteste ihr blutiges 
Werk weiter fort und gaben noch vier Juden dem Tode preis (De 
zember i475 bis Januar 1476). 
Nach Rom zurückgekehrt, erstattete der bischöfliche Kommissar 
dem Papste ausführlichen Bericht über das aller Gerechtigkeit hohn 
sprechende Verfahren von Trient, ferner darüber, daß das Gericht 
die Ermittlungen gegen die tatsächlich des Verbrechens schuldigen 
Christen eingestellt hätte, um die Untersuchung nur aus Haß gegen 
die Juden und zwecks Einziehung ihres Vermögens zugunsten des Bi 
schofs gegen völlig Schuldlose zu lenken. Die Kurie sah sich nun 
mehr vor zwei einander widersprechende Untersuchungsergebnisse ge 
stellt, und so mußte zur endgültigen Entscheidung der Frage eine 
neue Revision angeordnet werden, mit der Sixtus IV. eine aus sechs 
Kardinälen bestehende Kommission betraute (April 1476). Indessen 
sollte in der von den gehässigen Eiferern der Kirche so arg verwirr 
ten Sache die Wahrheit nicht mehr zu ihrem Rechte kommen. Die 
Kommission wählte nämlich zu ihrem Berichterstatter gerade einen 
vertrauten Freund des Bernhardin da Feltre, wodurch der Ausgang 
der Revision im voraus entschieden war. Das verbrecherische Trei 
ben der Urheber des Prozesses kam nicht ans Tageslicht. Nach ge 
raumer Zeit erklärte Sixtus IV., daß das Gerichtsverfahren in der 
Sache von Trient formell einwandfrei durchgeführt worden sei (pro- 
cessum ipsum recte factum), untersagte jedoch zugleich, die Juden 
weiter zu behelligen und die ihnen eingeräumten Rechte zu schmä 
lern. Trotzdem wurden die Juden aus dem zu einem Wallfahrtsort 
für die abergläubischen Christen gewordenen Trient restlos ausge 
wiesen. Die an dem „heiligen“ Särglein der Zeichen und Wimder
	        
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