Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 4. Religiöse Disputationen und Verbrennung des Talmud 
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Feuer verglichen, ihr hingegen habt das Wasser der Taufe, doch wird 
euer Wasser unser Feuer nie zum Erlöschen bringen“. 
Der Sohn des Joseph Kimchi, David, beteiligte sich nicht selten 
auch persönlich an den Disputationen mit den Christen. Ein Wider 
hall dieser Wortgefechte ist in seinen Kommentaren zu den Psalmen 
sowie in einer besonderen Apologie („Teschuboth ha’Radak“) ver 
nehmbar. Unter anderem weist er darauf hin, daß die Berufung der 
evangelischen Apostel und der Kirchenväter auf die biblischen Pro 
pheten die Messianität Jesu keineswegs bestätige, da er keines der 
von den Propheten verkündeten Kennzeichen des Messias in Wahrheit 
besessen hätte: auch wenn man der neutestamentlichen Genealogie 
Glauben schenken wolle, sei er ja nur mütterlicherseits ein „Sohn 
Davids“; auch habe er weder das zerstreute Israel aus allen Enden 
der Welt versammelt noch Jerusalem wiederhergestellt; oder hat 
er vielleicht den Frieden auf Erden gestiftet, während doch die Kriege 
weiter fortdauern und die Schwerter noch immer nicht zu Pflug 
scharen umgeschmiedet sind? 
Die mündliche und schriftliche Polemik verschärfte sich besonders 
im XIII. Jahrhundert, als Missionare aus dem Mönchsorden der Do 
minikaner oder der „predigenden Brüder“ (fratres praedicatores) auf 
tauchten, die den Juden die religiösen Disputationen geradezu auf- 
zwangen. Der ewige Streit der beiden Religionen kam bald in Privat 
unterredungen zwischen Mönchen und Rabbinern zum Durchbruch, 
bald entbrannte er in der Synagoge, wohin sich die missionseifrigen 
Dominikaner nicht selten geAvaltsam Eingang verschafften. Viele ge 
lehrte Juden erlangten eine so große Fertigkeit in dieser Fechtkunst, 
daß sie weit und breit als Meister ihres Faches bekannt wurden. Zwei 
dieser Berufsdisputanten, Rabbi Nathan Official und sein Sohn Jo 
seph, die in Frankreich zur Zeit Ludwigs des Heiligen wirkten, 
sind durch ihre häufigen Unterredungen mit Bischöfen, gelehrten 
„Jakobitern“ (Dominikanern), Franziskanern und selbst mit dem kö 
niglichen Beichtvater besonders berühmt geworden. Die als Manu 
skript vorliegende Sammlung ihrer Antworten („Das Buch Joseph des 
Eiferers“; „Josef ha’mekane“) zeugt davon, daß diese Gespräche mit 
so großer Freimütigkeit und Unbefangenheit geführt wurden, wie 
man es in jener Zeit der entfesselten religiösen Leidenschaften kaum 
hätte erwarten können. In ihren intimen Unterredungen mit den kirch 
lichen Würdenträgern nahmen sich die jüdischen Disputanten durch
	        
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