Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Italien zur Zeit der Frührenaissance 
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oder Kolonien getroffenen Vereinbarungen (condotta) über das den 
Juden eingeräumte Wohnrecht und ihre Gewerbefreiheit waren größ 
tenteils kurz befristet und hatten eine Gültigkeitsdauer von höchstens 
zehn Jahren; nach Ablauf der festgesetzten Frist wurden freilich die 
Verträge in der Regel, sei es unter den gleichen oder unter abgeänder 
ten Bedingungen, wieder erneuert. Bei der im Jahre i385 erfolgten 
Erneuerung der „Condotta“ wurde der jüdischen Kolonie von Vene 
dig außer den üblichen Steuerlasten eine Sonderabgabe in der Höhe 
von 4ooo Dukaten auf erlegt; zugleich wurden die jüdischen Kredit 
geschäfte der besonderen Aufsicht der Konsuln unterstellt. Zehn Jahre 
später weigerte sich der Senat, den Vertrag weiter laufen zu lassen, 
und begründete dies damit, daß die Juden die für die Kreditgeschäfte 
festgesetzten Regeln mißachteten und durch Veräußerung der Pfän 
der säumiger Schuldner ihren Wärenharidel über das zulässige Maß 
hinaus ausdehnten. Die jüdische Kolonie mußte hierauf wieder in die 
benachbarte Ortschaft Mestre ziehen, wo sie schon früher einmal 
untergebracht gewesen war, doch wurde es einzelnen Juden im Inter 
esse der Bevölkerung Venedigs gestattet, sich zu Geschäfts zwecken 
zwei Wochen lang in der Stadt aufzuhalten. Im Laufe der Zeit büß 
ten diese Einschränkungen allmählich ihre Gültigkeit ein, und viele 
Juden ließen sich von neuem in Venedig nieder, wobei sich der Senat 
nur damit begnügte, ihnen den Erwerb unbeweglichen Besitzes zu 
verbieten. Es gab auch noch andere Mittel, den jüdischen Wettbewerb 
zu bekämpfen: man nötigte den Juden besondere Abzeichen auf, zu 
nächst einen rundförmigen gelben Fleck an der Brust, später einen 
gelben Hut und dann wieder einen roten Hut. So waren die Stadt 
bewohner vor jeder Verwechslung des Fremdlings mit dem Mitbürger 
auf sichere Weise geschützt. Sich die Autorität der Kirchen Vorschrif 
ten zunutze machend, untersagte der Senat den Juden überdies jeden 
näheren Umgang mit Christen, namentlich mit Frauen, und schloß 
sie von allen öffentlichen Ämtern und freien Berufen aus, mit Aus 
nahme des ärztlichen, der ihnen selbst in Rom zugänglich war: der 
Ehrgeiz der guten Katholiken von Venedig ging eben nicht so weit, 
daß sie den Papst selbst an Frömmigkeit hätten überbieten wollen. 
Größerer Freiheit erfreuten sich die Juden auf den der Republik 
von Venedig angegliederten griechischen Inseln, auf Kreta oder 
Candia, Euböa und Korfu. Die alten Gemeinden in den Städten 
Candia, Retimo und Kanea auf Kreta blieben nach wie vor im Be
	        
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