Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Das französische Zentrum und die englische Kolonie 
gewiesenen Christen, vom Seigneur bis zum Bauer, auf solche Finanz 
geschäfte verzichten. Wie oft halfen jüdische Finanzmänner sogar 
Königen aus der Klemme heraus, wieviel Siege sind von jenen Armeen 
erfochten, die mit jüdischem Gelde ausgerüstet worden waren! . . . 
Die beredte Beweisführung des Rabbiners ist wohl kaum bis zu 
Ludwig dem Heiligen gedrungen; auch wäre der König, der für den 
Zustand der Kirchen im Heiligen Lande viel mehr Interesse zeigte als 
für die Prosperität Frankreichs, durch solche Gründe schwerlich be 
einflußt worden. Entsprang doch sogar der Kampf Ludwigs gegen 
den Geldhandel, wie er in den damals üblichen Formen betrieben 
wurde, weniger wirtschaftlichen Motiven als vielmehr dem Bestreben, 
den kirchlich-kanonischen Forderungen Genüge zu tun. Wir werden 
noch sehen, wie sich der König in unzartester Weise in das religiöse 
Leben der Juden einmischte und ihre heiligen Bücher auf den von 
der Inquisition errichteten Scheiterhaufen verbrennen ließ. Gegen 
Ende seines Lebens neigte Ludwig immer entschiedener zu unver 
hohlenem Religionszwang. So befahl er im Jahre 1269 seinen 
im Süden wirkenden Beamten, die Juden zum Anhören der Predigten 
eines bekannten Missionars, des Dominikaners Paulus Christiani, zu 
zwingen, der von Stadt zu Stadt zog und sie überall zu Disputationen 
herausforderte; zugleich waren die Juden verpflichtet, dem missions 
eifrigen Mönch ihre religiösen Schriften zur Prüfung vorzulegen. Im 
selben Jahre fiel dem König ein, daß die Verordnung der Lateran 
synode über die jüdische Sondertracht nicht genügend beachtet werde 
und so gab er Befehl, dafür zu sorgen, daß sich die Juden überall 
durch das grelle Zeichen auf ihrem Obergewand kenntlich machten. 
Während Ludwig der Heilige den Juden so im nördlichen Frank 
reich hart zusetzte, bedrückte sie sein Bruder, Graf Alfons de Poitiers, 
im Languedoc und besonders im Bezirk von Toulouse, der ihm als 
Lehen in Nachfolge der freiheitlich gesinnten Grafen aus dem Ge- 
schlechte Raimunds zugefallen war. Zum Unterschied von seinem Bru 
der ließ sich Alfons mehr durch Aussicht auf irdische Vorteile als auf 
himmlischen Lohn leiten. Der unersättliche Drang nach Bereicherung 
auf jüdische Kosten bewog ihn zu brutalsten Gewalttaten. So ließ er 
denn häufig Befehle über die Ausweisung der Juden aus verschiedenen 
in seinem Machtbereich gelegenen Städten ergehen, um dann, nach 
Einkassierung des auf diese Weise erpreßten Lösegeldes, die Ver 
fügung wieder rückgängig zu machen. Im Jahre 1268 befahl Alfons, 
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