Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Der Zusammenbruch des jüdischen Zentrums in Spanien 
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sie andererseits durch Androhung von Plünderung und Tod zum 
Taufbecken gezerrt. In Spanien tauchte nämlich um diese Zeit (il\i2 
bis i4i3) eine neue „Judengeißel“, ein zweiter Martinez namens 
Vicenle Fer rer auf. Der düstere Dominikaner durchzog, von Flagel 
lanten und ähnlichen Fanatikern umgeben, Kastilien und Aragonien, 
um überall den „heiligen Haß“ gegen die Andersgläubigen, die Ju 
den und Mauren, zu predigen. Seine Hauptmission erblickte er in der 
Bekehrung der Juden durch Androhung von Gewaltmaßnahmen. Es 
wurde behauptet, daß eben dieser Ferrer seinerzeit Paul von Burgos 
zum Übertritt bewogen hätte. Jedenfalls fanden sich der Benegat von 
Burgos und der dominikanische Eiferer bei der Ausrottung des Ju 
dentums als treue Verbündete zusammen. Dieses würdige Paar war 
es, unter dessen Einwirkung die erwähnte „Ordonnanz“ entstand und 
zugleich jene spezifische Missionspropaganda eingeleitet wurde, in 
der an Stelle der Überredung die Methode der Einschüchterung ge 
treten war. An der Spitze eines Haufens von Mönchen zog nun Ferrer 
von Stadt zu Stadt mit dem Kreuz in der einen und der Thora in der 
anderen Hand, drang in die Synagogen ein und verlangte überall mit 
donnernder Stimme, daß die Juden sich von der Thora lossagen und 
zum Kreuz bekennen sollten. Mit besonderer Wut wetterte er gegen 
die Opfer der Gewalttaten des Jahres i3gi, gegen jene Konvertiten, 
die sich, sei es offen oder insgeheim, nach wie vor zum Judentum be 
kannten. Die leidenschaftlichen Reden dieses rasenden Fanatikers 
wirkten zündend auf die christlichen Massen, die nur auf ein Zeichen 
warteten, um sich auf die „störrischen“ Feinde Christi zu stürzen. 
Der Juden, die das Gemetzel von Sevilla und die anderen darauffol 
genden Hetzen noch frisch im Gedächtnis hatten, bemächtigte sich 
Angst und Schrecken. Viele Gemeinden Kastiliens sahen sich von den 
feindlichen Mächten gleichsam belagert. In Valladolid, Salamanca, 
Segovia, Avila, Burgos und anderen Städten ließen sich die in Ver 
zweiflung geratenen Juden massenweise taufen, während die von der 
Kirche abgefallenen „Neuchristen“ Reue zur Schau trugen und feier 
lich gelobten, gute Katholiken werden zu wollen. In Toledo vertrieb 
der mit dem Kreuz in eine Synagoge eingebrochene Ferrer die dort 
zur Andacht versammelte Gemeinde, um das jüdische Gebethaus auf 
der Stelle der „unbefleckten Maria“ (Santa Maria la blanca) als 
Kirche zu weihen. Aus Kastilien wandte er sich nach Aragonien, wo 
er durch Anwendung des gleichen Terrors eine Menge von Juden in
	        
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