Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 49. Der Missionsterror (Vicente Ferrer) 
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anderer als der ehemalige Rabbiner Salomo Halevi aus Burgos, der 
während der Katastrophe des Jahres i3()i die Taufe genommen hatte. 
Von maßlosem Ehrgeiz getrieben, beschloß der Konvertit, sein Ju 
dentum teuer zu verkaufen und die Würde eines Rabbiners der Ver 
folgten mit dem Bischofsstab der Verfolger zu vertauschen. Zu die 
sem Zwecke redete er seinen neuen Glaubensgenossen ein, daß er zum 
Christentum nicht aus Todesangst, sondern noch vor der Katastrophe 
unter dem Eindruck einer wunderbaren Vision übergetreten sei: es 
sei ihm nämlich im Traume die Mutter Gottes erschienen, um ihn 
auf den Weg der Wahrheit zu weisen, auf den er schon vorher durch 
das Studium des Thomas von Aquino vorbereitet gewesen sei. Nach 
dem er bei der Taufe den Namen Paulus de Santa Maria angenom 
men hatte, begab er sich nach Paris, um an der dortigen Universität 
Theologie zu studieren; später kam er nach der päpstlichen Residenz 
Avignon und trat dort mit dem spanischen Kardinal Pedro de Luna 
in nähere Beziehungen, der im Jahre i3g4 von den Gegnern des 
rechtmäßigen römischen Papstes Bonifazius IX. unter dem Namen 
Benedikt XIII. zum Gegenpapst ausgerufen wurde. Dieser Kardinal, 
der der Bekehrung der Juden stets den größten Wert beigemessen 
und schon ehedem religiöse Disputationen mit jüdischen Gelehrten 
geführt hatte (oben, § 35), fand in dem neubekehrten Paulus ein 
geeignetes Werkzeug zur Durchführung seiner Pläne. 
Es galt, die vor kurzem gemachte „Akquisition“: die Tausende 
von Juden, die in dem Schreckensjahr getauft worden waren, an die 
Kirche zu fesseln und die Missionserfolge auch weiterhin nicht zum 
Stillstand kommen zu lassen. Zu diesem Zwecke war es geboten, den 
ehemaligen Rabbiner, der sich bereit erklärte, Wissen und Erfah 
rung in den Dienst der Kirche zu stellen, durch Verleihung einer ho 
hen geistlichen Würde mit besonderen Machtbefugnissen auszustat 
ten. Gleich dem gleichnamigen Apostel der Vorzeit ging Paulus ohne 
Zögern an die Bloßstellung des von ihm abgeschworenen Glaubens 
und stieg auf der hierarchischen Stufenleiter rasch empor. Von der 
Würde eines Archidiakonus und Kanonikus in Sevilla avancierte er 
bald zu der des Bischofs von Cartagena, um schließlich Erzbischof 
von Burgos zu werden. Der dem Hofe nahestehende Renegat geriet 
noch bei Lebzeiten des Königs Heinrich III. in einen Konflikt mit 
dem Hofarzt Meir Alguadez, mit dem ihn vor der Taufe enge Freund 
schaft verbunden hatte. (Es hat sich sogar ein in rabbinischem Stil
	        
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