Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Viertes Kapitel 
Das letzte Jahrhundert des jüdischen 
Zentrums in Spanien 
§ 49. Die Kirchenherrschaft und der Missionsterror (Paul von 
Burgos und Vicente Ferrer) 
Die Schlußakkorde der düsteren Symphonie des Mittelalters ertön 
ten in Spanien. Das Land, das während der wildesten mittelalterli 
chen Orgien verhältnismäßig ruhig geblieben war, schien gegen de 
ren Ende seine Enthaltsamkeit gleichsam zu bereuen und beeilte sich, 
das Versäumte nachzuholen, indem es die anderen Länder an Grau 
samkeit gegen die Juden noch zu übertreffen suchte. In Spanien war 
jetzt mit einem Male der getaufte Heide der Westgotenzeit wieder 
erstanden, der keinen Ungetauften in seiner Nähe dulden wollte. Der 
unter dem Einfluß der arabisch-jüdischen Kultur für einige Jahr 
hunderte zurückgedrängte Geist des alten Westgotentums trat, als der 
ihm verwandte, die Grundlagen des normalen Zusammenlebens un 
terwühlende Klerikalismus in Spanien endgültig die Oberhand ge 
wonnen hatte, erneut in den Vordergrund. In diesem Lande mit sei 
ner aus Christen, Juden und Mauren bunt zusammengewürfelten Be 
völkerung waren drei Religionen, drei Rassen und drei Kulturen in 
engste Berührung miteinander gekommen. Einige Jahrhunderte hin 
durch bestanden sie, sich gegenseitig befruchtend, nebeneinander 
und ließen die spanische Kultur auf dem dunklen Hintergründe des 
Mittelalters als einen in allen Farben spielenden Lichtpunkt erglän 
zen. Diese freie kulturelle Wechselwirkung war indessen durchaus 
nicht nach dem Sinne des Klerikalismus, der unverwandt das Ziel ver 
folgte, alle andersgläubigen und fremdstämmigen Elemente um der 
Idee der kirchlich-staatlichen Einheit willen mit Stumpf und Stiel 
auszurotten. Ein Glaube, ein Staat und eine vom Geiste der herrschen
	        
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