Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Deutschland im XIV. und XV. Jahrhundert 
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starke klerikale Reaktion aus, die auch auf das Los der Judenheit 
nicht ohne Rückwirkung bleiben konnte. Zwar wies die hussitische 
Häresie, im Gegensatz zu den Lehren der Albigenser, in denen die 
Einwirkung des jüdischen Rationalismus mehr oder weniger klar zu 
tage trat, keinerlei Anzeichen eines direkten jüdischen Einflusses auf, 
was auch kaum möglich gewesen wäre, da die deutschen Juden jener 
Zeit viel zu abgeschlossen von ihrer Umwelt lebten und die tschechi 
schen Anhänger des Hus, deren Aufstand überdies auch einen aus 
gesprochen nationalen Charakter trug, mit dem jüdischen Monismus 
nur wenig Berührungspunkte hatten; desungeachtet trug der neu er 
wachte katholische Fanatismus sowie die ganze Atmosphäre des Re 
ligionskrieges, des inneren Kreuzzuges, zu einer merklichen Verschär 
fung des Judenhasses bei. Die Truppen des Kaisers Sigismund, die 
durch die Rheinprovinzen nach Böhmen in den „heiligen Krieg“ zogen, 
überfielen an manchen Orten die Juden oder drohten, auf dem Rück 
wege, nach der Vernichtung der Ketzer, auch mit jenen kurzen Prozeß 
zu machen. Voll Entsetzen bereiteten sich die Juden auf ein neues 
Martyrium vor. Der Mainzer Rabbiner Jakob Mölln (Maharil) forderte 
die Gemeinden durch besondere Boten auf, ein allnationales Fasten 
zu veranstalten und überall in den Synagogen um Abwendung des Un 
heils zu beten. Zwischen Rosch-ha’schana und Jom-Kippur des Jah 
res 1421 flehten denn auch die Juden in vielen deutschen Städten 
mit besonderer Inbrunst und Zerknirschung um die Erhaltung ihres 
schwer bedrohten Lebens. Die Gebete sollten diesmal nicht unerhört 
bleiben: in dem Treffen mit den Truppen des tschechischen National 
helden £izka erlitt das kaiserliche Söldnerheer eine schwere Nieder 
lage (1422). Der Anführer der Hussiten rächte den in Konstanz ver 
brannten Hus und die geschlagenen Truppen des Sigismund mußten 
auf ihrem Rückzuge, zerlumpt und hungrig, nun in den Häusern der 
Juden Zuflucht suchen, die sie noch vor kurzem selbst mit dem Tode 
bedroht hatten. 
Die Hussitenkriege zogen sich indessen noch über zwei Jahrzehnte 
hin und kamen den Juden überaus teuer zu stehen. Schon im Jahre 
i4i5 mußten die jüdischen Gemeinden auf die Forderung des Kai 
sers Sigismund hin die Kosten des Konstanzer Konzils decken, das 
Johann Hus zum Flammentode verurteilt hatte, und auch später wa 
ren sie vielfach gezwungen, dem Reichsschatz Geldmittel für die 
Kriegsführung zur Verfügung zu stellen. Während die Christen um
	        
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