Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Das spanische Zentrum im XIV. Jahrhundert 
258 
heilige Kriege verstanden. So schien es viel einfacher, den Krieg zu 
nächst den Juden zu erklären, und zwar in der Form eines Ulti 
matums: Taufe oder Tod! Wohl hatten die Kreuzfahrer in Mittel 
europa unter ähnlichen Verhältnissen einst mehr Juden hinzuschlach 
ten, als zur Taufe zu bewegen vermocht, doch schienen jetzt in Spa 
nien die Aussichten viel günstiger zu sein: die Juden waren hier we 
niger an ihre Religion gebunden, auch nicht in dem Maße von den 
Christen abgesondert, überdies viel wohlhabender und daher den irdi 
schen Güterti mehr zugetan, so daß bei vielen von ihnen, wie man 
annahm, die Furcht vor dem Tode einen genügend starken Beweg 
grund für die Taufe abgeben müßte. Es käme nur darauf an, konse 
quent vorzugehen, dann müßte es gelingen, sowohl die „jüdische 
Gefahr“ zu bannen wie auch das Lager der Gläubigen durch neuen 
Kräftezufluß zu stärken. 
So sah in seinen Grundzügen der Kriegsplan der klerikalen Ver 
schwörer aus, die hundert Jahre vor der Einführung der allspanischen 
Inquisition deren Grundidee eines einheitlichen, homogenen, christ 
lichen, von Juden, Mauren und Ketzern endgültig gesäuberten Spa 
nien vorwegnahmen. An der Spitze der kastilischen Verfechter dieser 
Idee stand ein glühender Fanatiker, der Archidiakonus und Offizial 
des Bistums von Sevilla Ferrand Martinez. Schon seit vielen Jahren, 
seit der Teilnahme der Juden an dem kastilischen Bürgerkriege, be 
trieb Martinez in seinen Kirchenpredigten eine systematische Hetze 
gegen das Judentum. Er schleuderte) unausgesetzt Brandfackeln ins 
Volk: die Juden — so wetterte er — hätten in Spanien die Herrschaft 
an sich gerissen, durch Steuereintreibung und Steuerpacht Berge von 
Schätzen angehäuft, alle Christen vom König bis zum letzten Sklaven 
zu ihren gefügigen Werkzeugen gemacht, sie streuten allerarten ihre 
Irrlehren aus und würden bald die Kirchen in Synagogen umwandeln; 
daher gelte es, diese Feinde Christi mit Stumpf und Stiel auszurotten 
und es durchzusetzen, daß die Synagogen in Kirchen verwandelt wer 
den. Ganz unverblümt wurde so Gewalt und Terror gepredigt. Eines 
Tages wies Martinez die ihm in einer Kirchenprozession folgende 
Menge an, jeden Juden, der sich wählend des Umzugs auf der Straße 
zeigen sollte, ohne Bedenken zu verprügeln. Gar oft redete er davon, 
daß es nicht übel wäre, alle Synagogen von Sevilla dem Erdboden 
gleichzumachen. Die Vertreter der jüdischen Ortsgemeinde beschwer 
ten sich zu wiederholten Malen beim König Heinrich II. und seinem
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.