Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 36. Aragonien, Navarra, Portugal 
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dieser Beamte für den pünktlichen Eingang der auf ihnen lastenden 
Steuern verantwortlich, während er zugleich als Schatzmeister die 
Steuereintreibung und die Finanzverwaltung überhaupt in seiner Hand 
hatte. Der königliche Rabbiner übte überdies die Kontrolle über die 
jüdische Selbstverwaltung aus und es stand ihm das Recht zu, die 
von den Gemeinden gewählten Ortsrabbiner und -Richter in ihren 
Ämtern zu bestätigen. Zu Beginn des XIV. Jahrhunderts hatten be 
reits fast alle bedeutenderen Städte Portugals jüdische Gemeinden 
aufzuweisen. Außer in der Hauptstadt Lissabon bestanden autonome 
Gemeinden in den Städten Santarem, Oporto, Evora, Faro, Goimbra, 
Alcazar, Braganza usf. (im ganzen an etwa vierzig Orten). Die Juden 
siedelten fast überall in besonderen Vierteln, den sogenannten „Ju- 
darias“. 
Unter den portugiesischen Königen dieser Zeit trug allein Al 
fons IV. (13 2 5—1357) den Forderungen des Klerus ernstlicher 
Rechnung. So schrieb er den Juden vor, in der Öffentlichkeit stets 
mit einem an dem Obergewand oder an der Kopfbedeckung befestig 
ten gelben Abzeichen in Form eines sechseckigen Sternes zu erschei 
nen. Dabei wußte er jedoch die mit diesem „Ehrenabzeichen“ be 
dachten Untertanen so sehr zu schätzen, daß er den wohlhabenderen 
unter ihnen die Ausreise aus dem Lande untersagte. Die auf ihn fol 
genden Könige nahmen von neuem die Politik auf, die in den kleri 
kalen Kreisen als „judenfreundlich“ geschmäht zu werden pflegte. 
So ernannte Pedro I. (i3Ö7—1367), der in den Volkslegenden als 
Ritter der Gerechtigkeit und als weiser Richter fortlebt, zu seinem 
Leibarzt und zugleich zum Oberrabbiner von Portugal den Lissa- 
boner Gelehrten Moses Navarro. Unter dem Nachfolger Pedros, Fer 
dinand I. (1367—1383), iwirkte als königlicher Schatzmeister der 
gewandte Geschäftsmann Don Juda, der im Aufträge des Königs eine 
durchaus nicht einwandfreie Finanzoperation in die Wege leitete: 
er betrieb nämlich in ausgedehntestem Maße eine Münzverschlech- 
terung, die zwar dem Staatsschätze hohen Gewinn einbrachte, im 
Volke aber tiefste Empörung gegen den Hof mitsamt dem jüdischen 
Schatzmeister wachrief. Hie und da kam es zu Überfällen auf jüdi 
sche Landesbewohner, die allerdings an den Machenschaften des 
durchtriebenen Hofagenten nicht die geringste Schuld hatten. Bald 
sollte indessen die Frage der jüdischen Hof würden träger zu einem 
Problem der großen Politik auswachsen und sogar eine gewisse Rolle
	        
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