Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 3U. Die Juden im kastilischen Bürgerkrieg 
241 
der Fremden und sogar seiner eigenen Stammesgenossen vernehmen 
ließ. Es wird nämlich berichtet, daß einige von Neid getriebene Juden 
dem König hinterbracht hätten, daß sein Schatzmeister sich auf Ko 
sten der Staatskasse bereichere. Es geschah nun, was schon oft in 
solchen Fällen zu geschehen pflegte: nachdem der König durch den 
in der Person des jüdischen Schatzmeisters verkörperten Steuerappa- 
rat aus der Bevölkerung ungeheure Summen herausgepreßt hatte, 
vermochte er der Versuchung nicht zu widerstehen, auch diesen Appa 
rat selbst zu leeren, an dem, wie er glaubte, manches von den jahre 
lang eingesammelten Abgaben haften geblieben sein mochte. Die bei 
Samuel Abulafia vorgenommene Haussuchung förderte jedenfalls un 
ermeßliche Reichtümer ans Tageslicht: Hunderttausende von Gold- 
und Silbermünzen sowie viele Truhen mit unzähligen Kostbarkeiten. 
Nicht gering war auch der Fund, den man in den Gewölben unter 
dem Palaste des jüdischen Magnaten machte. Die Schätze gehörten 
allerdings nicht allein Samuel, sondern auch seinen Verwandten; des- 
ungeachtet ließ Pedro sowohl den Schatzmeister als auch seine An 
gehörigen verhaften. Samuel wurde nach Sevilla gebracht und in ein 
Gefängnis geworfen, wo man ihm auf der Folterbank eine Aussage 
über noch anderweitig vergrabene Schätze abzuzwingen suchte. Durch 
die Tortur völlig entkräftet, starb Samuel im Jahre i36o, nachdem 
er zehn Jahre lang ein unnützes, von eitlem Glanz umgebenes Leben 
in jenen „höchsten Sphären“ geführt hatte, die so häufig von den 
allerniedrigsten Leidenschaften erfüllt sind. Das gesamte Vermögen 
des Samuel sowie seiner Angehörigen fiel aber dem königlichen 
Schatze zu. 
Es stand zu befürchten, daß nach dem Sturze des jüdischen Mi 
nisters die Beziehungen zwischen dem König und den jüdischen Ge 
meinden sich trüben würden, doch war dies nicht der Fall. Die Ju 
den, die zu Beginn des Bürgerkrieges für Pedro Partei ergriffen hat 
ten, hatten auch in seinem weiteren Verlauf für den aufrührerischen 
Kronprätendenten Heinrich nichts übrig. Der Bruderzwist hatte sich 
aber inzwischen noch mehr verschärft. Die grausame Handlungsweise 
des Königs, der die von ihm verschmähte Gattin Bianca im Gefängnis 
meuchlings ermorden ließ, gab der von der feindlichen Partei im 
Lande und in den Nachbarstaaten entfachten Agitation neue Nahrung. 
In Kastilien war es namentlich die „Freundschaft des Pedro für die 
Juden“, die man dem König zum Vorwurf machte. Es wurden Ge- 
16 Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes, Bd. V
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.