Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Das spanische Zentrum im XIV. Jahrhundert 
und hielten dort beide gefangen, indessen gelang es ihnen später durch 
Flucht zu entkommen. Die einseitige Parteinahme der Juden in dem 
sich immer mehr verschärfenden dynastischen Streite wuchs inzwi 
schen für die jüdischen Gemeinden Kastiliens zu einer schweren Ge 
fahr aus, und als dieser Kampf in einen langwierigen Bürgerkrieg 
ausartete, sahen sich die kastilischen Juden in die fürchterliche Lage 
einer zur Abwehr ungerüsteten „kriegführenden Partei“ versetzt Das 
Unheil brach zuerst über die jüdischen Einwohner der Hauptstadt 
Toledo herein. Am Sonnabend, den 7. Mai i355 brachen die Banden 
des Prinzen Heinrich in das jüdische Viertel ein, machten zahlreiche 
Einwohner nieder (dem Berichte des Chronisten zufolge belief sich 
die Zahl der Opfer auf 1200) und plünderten die Läden aus, doch 
gelang es schließlich, mit Hilfe einer Schar königstreuer Ritter den 
Ansturm gegen die Hauptstraßen der „Juderia“ zurückzuschlagen. 
Einige Jahre später sollte der Mann, der die Juden ohne ihren 
Willen in den politischen Kampf mithineingezogen hatte, jäh zu Falle 
kommen. Als königlicher Schatzmeister ging nämlich Samuel Abm- 
lafia bei der Beschaffung von Geldmitteln für seinen Herrn mit aller 
Rücksichtslosigkeit vor und erkaufte so die Anerkennung des Königs 
mit dem Unwillen des Volkes. Es entstand das Gerücht, daß der Mi 
nister nicht nur für den König, sondern auch zu seinen eigenen Gun 
sten dem Volke die Steuern abpresse. In einer zeitgenössischen kasti 
lischen Chronik (von Ayala) heißt es: „Die Juden saugen das Blut 
der unterjochten Christen aus und lechzen nach Beute, der sie sich 
durch Steuerpacht bemächtigen. Don Abraham und Don Samuel er 
reichen beim König durch ihre honigsüßen Reden alles, was sie wol 
len“. Dem im Wohlleben schwelgenden Abulafia entging jedoch das 
unheilverkündende Wetterleuchten. Er lebte mit fürstlichem Pomp 
in seinem Palaste zu Toledo, wo achtzig maurische Sklaven auf sein 
Wort hörten. Um seinen Namen zu verewigen, ließ er*im Jahre i357 
in der Hauptstadt eine prächtige Synagoge erbauen, deren Mauern 
mit Arabesken und Inschriften zu Ehren des Stifters geschmückt wa 
ren. (Diese Arabesken zieren noch heute die Wände der katholischen 
Kirche, in die die Synagoge von Toledo nach der Vertreibung der 
Juden aus Spanien umgewandelt wurde.) Der auf seinen posthumen 
Ruhm so sehr bedachte jüdische Grande kümmerte sich aber nur we 
nig um seine augenblickliche Sicherheit, obwohl die Zeitläufte kei 
neswegs günstig waren und sich von allen Seiten das giftige Zischen
	        
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