Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 54. Die Juden im kastilischen Bürgerkrieg 
Staatsangelegenheiten zu Rate zu ziehen pflegte. Abulafia rechtfertigte 
voll das in ihn gesetzte Vertrauen und trug durch eine Reorganisie 
rung des Steuerwesens zur Gesundung der Staatsfinanzen bei. Ein 
anderer Jude, Abraham Zarzal, versah das Amt eines königlichen 
Leibarztes und Astrologen. Die politischen Gegner des Königs und 
die Kircheneiferer tadelten ihn aufs schärfste wegen der Revorzugung 
der Ungläubigen und nannten seinen Hof voll Verachtung einen „Ju 
denhof“. Als die Cortes von Valladolid den König um die Aufhebung 
der autonomen jüdischen Gerichtsbarkeit angingen, erhielten sie einen 
abschlägigen Bescheid mit der folgenden Regründung: „Die Juden 
sind ein schwaches Volk. Wollte man sie der allgemeinen Gerichtsbar 
keit unterstellen, so müßten sie stets Unrecht leiden“. Neben den ge 
nannten Hofwürdenträgern stand Pedro auch noch der jüdische Dich 
ter Santob de Carrion nahe, der in seinen spanischen Versen dem 
König Belehrungen und Ratschläge erteilte. Hätte Pedro diesen ehr 
lich gemeinten Ratschlägen Gehör geschenkt, so wäre er vielleicht 
nicht in jene traurige Lage geraten, in die er sich infolge verhäng 
nisvoller Familienverhältnisse bald versetzt sah. 
Pedro war nämlich der einzige Sohn Alfons XI. von dessen recht 
mäßiger Gattin; doch besaß Alfons von seiner Mätresse Leonora de 
Guzman noch neun andere Söhne, von denen der älteste Heinrich de 
Trastamara hieß. Dieser ehrgeizige Prinz machte nun seinem Stief 
bruder Pedro den Thron streitig und verstand es, die im königlichen 
Hause herrschenden Zwistigkeiten im eigenen Interesse auszunützen. 
Die Familienzwistigkeiten gingen darauf zurück, daß der König Pedro 
seine junge Gattin Bianca, die ihm aus politischen Gründen auf ge 
drängte Tochter des Herzogs von Bourbon, verschmähte und seiner 
Geliebten, der schönen Spanierin Maria de Padilla, den Vorzug gab. 
Aus diesem Anlaß entbrannte bei Hofe ein Kampf, in dem die Partei 
gänger der Französin denen der Spanierin gegenüberstanden. Zu die 
sen letzteren gehörte auch der Schatzmeister Samuel Abulafia und 
mit ihm die gesamte kastilische Judenheit, die allen Grund zu der Be 
fürchtung hatte, daß die französische Prinzessin die spanische Re 
gierung mit dem in ihrer Heimat herrschenden judenfeindlichen Geist 
infizieren würde. Die franzosenfreundliche Hofpartei entschloß sich 
nun, den König gewaltsam zu beseitigen, wobei auch Abulafia einem 
der angezettelten Komplotte beinahe zum Opfer gefallen wäre: die 
Verschwörer lockten ihn mitsamt dem König in die Festung Toro
	        
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