Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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§ 33. Die jüdischen Hof Würdenträger in Kastilien 
an seiner Tafel die Granden Kastiliens, von deren Lebensweise sich die 
seinige nur wenig unterschied. Dies erregte den Unwillen der christ 
lichen Gesellschaft: man sprach überall davon, daß der König die Re 
gierung des Landes einem jüdischen Schlaukopf und zwei leichtsinni 
gen Rittern überlassen hätte. Als ßenveniste mit dem König in Valla 
dolid weilte, kam es sogar zu einem Anschlag auf den jüdischen 
Staatsmann. Alfons kümmerte sich jedoch nicht im geringsten um das 
Murren des Volkes und behielt ßenveniste nach wie vor im Amte eines 
Staatsschatzmeisters (tesorero) an seinem Hofe. Indessen sollten die 
Hofintrigen, bei denen ein anderer jüdischer Günstling die Hand mit 
im Spiele hatte, dem jüdischen Finanzminister ein trauriges Ende be 
reiten. Der König verpachtete nämlich dem skrupellosen Geschäfts 
mann Samuel ibn Wakar (Abenhuacar) die Zölle von den aus dem 
maurischen Granada eingeführten Waren sowie das Münzregal mit 
dem Rechte, nicht vollgewichtige Silbermünzen zu schlagen, was Sa 
muel nicht wenig Gewinn einbrachte. Als es ßenveniste gelungen war, 
seinem Rivalen die Zollpacht zu entreißen, überredete dieser den Kö 
nig, die Wareneinfuhr aus Granada überhaupt zu untersagen und das 
protektionistische Wirtschaftssystem einzuführen. Mittlerweile wuchs 
die Empörung gegen die jüdischen und muselmanischen Steuerein 
nehmer und Privatwucherer im Lande immer mehr an. Die Cortes 
von Valladolid und Madrid verlangten vom König, daß den Wuche 
rern ein Zaum angelegt werde, und es gelang ihnen auch, die Erneue 
rung des Gesetzes von der Herabsetzung des Zinsfußes auf 33 Prozent 
zu erwirken. Überdies wurden Klagen über die schädlichen Folgen 
der Ibn Wakar übertragenen Münzpacht laut: durch die von ihm be 
triebene Münzverschlechterung wäre, so sagte man, eine Teuerung der 
Lebensmittel eingetreten, da die Lebensmittelhändler es vorzögen, ihre 
Ware nach dem Auslande gegen vollgewichtiges Silber zu exportieren. 
Schließlich gelang es einem geifernden Judenfeind, beide Finanz 
männer mit einem Schlage zu Falle zu bringen. 
Die Rolle des Haman spielte hierbei ein gewisser Gonzalo Mar- 
tinez, ein armer kastilischer Ritter, der in den Diensten des Joseph 
ßenveniste stand und von diesem in die Hofkreise eingeführt worden 
war. Martinez verstand es, sich rasch vorzudrängen: er brachte es 
bis zur Würde des Großmeisters des Ritterordens von Alcantara und 
gewann die besondere Gunst des Königs Alfons. Unter dem Einfluß
	        
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