Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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§ 33. Die jüdischen Hof Würdenträger in Kastilien 
gen Einfluß des Judentums endlich bekämpfte mit unermüdlichem 
Eifer die katholische Geistlichkeit, die in Kastilien zu immer größe 
rer Macht gelangte. Der Klerus suchte sowohl von oben durchzudrin 
gen, indem er der Regierung die Beschlüsse seiner Konzile aufzwang, 
wie auch von unten durch Aufhetzung der Massen gegen diejenigen, 
die angeblich „das Land verjudeten“. 
Die Folgen dieses von drei Seiten her geführten Angriffs sollten 
sich schon unter den nächsten Nachfolgern des kastilischen Königs 
Sancho IV. (oben, § 9), unter seiner Witwe Maria de Molina und 
seinem Sohne Ferdinand IV. (1295—i3i2) bemerkbar machen. Dem 
König Ferdinand stand nämlich als kluger Ratgeber der jüdische 
Almojarif Don Samuel zur Seite, in dessen Händen die Verwaltung 
der Staatsfinanzen lag. Die staatsmännischen Ratschläge des Samuel, 
dem der jugendliche König sein volles Vertrauen schenkte, mißfielen 
jedoch der herrschsüchtigen Königin-Mutter Maria de Molina, und 
es kam so weit, daß die Hofpartei der Königin den ihr im Wege 
stehenden königlichen Berater gewaltsam zu beseitigen versuchte. Als 
Samuel den König einst auf einer Reise nach Sevilla begleitete, wurde 
er von einem Meuchelmörder überfallen und so schwer verwundet, 
daß er nur dank der meisterhaften Pflege des königlichen Leibarztes 
am Leben blieb. Auf den Einfluß des jüdischen Finanzmannes ist 
wohl die Tatsache zurückzuführen, daß den antijüdischen Bestrebun 
gen der Geistlichkeit und des Adels kein Erfolg beschieden war. Als 
im Jahre 1807 die Geistlichkeit in Toledo das jüdische Kreditgeschäft 
auf Grund einer von dem Papst Clemens IV. erlassenen Bulle einzu 
dämmen versuchte, gab Ferdinand IV. auf die Beschwerde der jüdi 
schen Gemeinde hin den Befehl, der wirtschaftlichen Tätigkeit der 
Juden keine Hindernisse in den Weg zu legen. Die Juden — so be 
gründete er seinen Erlaß — seien nicht dem Papste, sondern dem Kö 
nige untertan, an den sie Steuern entrichteten, weshalb denn auch 
jede Einschränkung ihrer Gewerbefreiheit auf den Staatsschatz nach 
teilig zurückwirken müßte. Zugleich weigerte sich der König, der 
von den Adelscortes auf gestellten Forderung nachzukommen, wonach 
die Juden nicht mehr als Steuereinnehmer und -Pächter verwendet 
werden sollten: wie hätte er auch auf die Unterstützung der jüdischen 
Finanzmagnaten in einem Augenblick verzichten können, da er sich 
zu einem Feldzug gegen Gibraltar rüstete.
	        
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