Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 30. Polen als Kolonie der deutschen Judenheit 
in den Herzen der Gläubigen noch keine festen Wurzeln zu fassen 
vermochte, um so leichter von dem Afterglauben und den üblen Sit 
ten der in ihrer Mitte lebenden Juden beeinflussen lassen werde“. 
Aus diesem Grunde erachtete es die Synode als geboten, vor allem die 
Wohnstätten der Juden von denen der Christen zu trennen: „Wir ver 
ordnen aufs strengste, daß die in der Gnesener Diözese ansässigen 
Juden nicht zusammen mit den Christen, sondern abgesondert, in 
einem zusammenhängenden Häuserblock und zwar in einem ihnen 
speziell angewiesenen Stadt- oder Dorfteil wohnen sollen. Dieser von 
den Juden bewohnte Teil der Siedlung muß von den Wohnstätten der 
Christen durch eine Umfriedung, eine Mauer oder einen Graben ab 
gegrenzt sein“. Juden, die in christlichen Stadtvierteln Häuser be 
saßen, wurden verpflichtet, diese in kürzester Frist zu verkaufen; soll 
ten sie bis zum nächsten Johannistage dieser Forderung nicht nach 
gekommen sein, so mußten die kirchlichen und weltlichen Ortsbehör 
den wegen ihres Versäumnisses zur Rechenschaft gezogen werden. 
Ferner wurde vorgeschrieben, daß die Juden beim Durchzug von Kir 
chenprozessionen zu Haus bleiben, daß sie in jeder Stadt nicht mehr 
als eine Synagoge haben und zu ihrer „Unterscheidung von den Chri 
sten“ auch hier wie in den westlichen Nachbarländern eine gehörnte 
Kappe tragen sollten. Auf die Übertretung dieser Vorschrift stand die 
landesübliche Geldstrafe. Daneben wurden von der Breslauer Ver 
sammlung auch alle jene von Judenhaß eingegebenen Kirchenregeln 
fast wörtlich übernommen, die im selben Jahre auf dem Wiener Kon 
zil neu formuliert worden waren (oben, § 2 4). In der Begründung der 
Vorschrift, die den Juden den Kirchenzehnten auferlegte, wurde dar 
auf hingewiesen, daß sie „den Platz einnehmen, wo eigentlich Chri 
sten wohnen sollten, weshalb sie auch verpflichtet sind, die dem Klerus 
dadurch entstehenden Verluste zu ersetzen“. 
Überhaupt fühlten sich die geistlichen Plantageherren in der neuen 
„plantatio christianitis“ viel ungezwungener als in deren alten Pflanz 
stätten und erlaubten sich demgemäß, die von den früheren Konzilen 
aufgestellten Kirchenregeln nach Gutdünken auszubauen. Da die be 
reits erwähnte große Ofener Kirchensynode vom Jahre 1279 unter 
ihren Mitgliedern auch viele Vertreter der polnischen Kirche zählte, 
so erstreckten sich die auf dieser Versammlung bestätigten Kanons, 
insbesondere die Verordnung über den „roten Fleck“, auch auf Polen. 
Im Jahre 1285 fügte die Kirchensynode von Leczyca den bereits be
	        
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